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Antisemitismusbekämpfung als deutscher Konsens?

TL;DR:Die deutsche Antisemitismusbekämpfung dient oft weniger dem Schutz jüdischen Lebens als der moralischen Selbstvergewisserung und der Stabilisierung eines rassistischen Nationalkonsenses. Statt Ursachen zu bekämpfen, setzt der Staat auf Symbolpolitik und Maßnahmen, die muslimische Communities pauschal kriminalisieren. Antisemitismus wird externalisiert, um die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu entlasten, während antisemitische Kontinuitäten innerhalb der Gesellschaft bestehen bleiben. So entpolitisiert die deutsche Politik den Kampf gegen Antisemitismus und spielt ihn gegen andere Diskriminierungsformen aus, ohne die strukturellen Ursachen anzugehen.



Die deutsche Antisemitismusbekämpfung gleicht einem Spiegelkabinett. Wer hineinblickt, sieht nicht den Schutz jüdischen Lebens, sondern eine Nation, die sich ihrer moralischen Läuterung versichert. Maßnahmen, die angeblich gegen Antisemitismus gerichtet sind, dienen oft weniger dem Schutz der Betroffenen als der Pflege eines deutschen Selbstbildes: geläutert, moralisch überlegen, aber letztlich unverändert. Dieses Schauspiel hat seinen Preis – und der wird nicht von der Mehrheitsgesellschaft getragen, sondern von denen, die am Rande stehen: migrantisierten, insbesondere muslimischen Communities.

 

Symbolpolitik ohne Konsequenzen


Es beginnt mit den Sonntagsreden. Gedenkveranstaltungen, die das Leid jüdischer Menschen inszenieren, ohne ihre Sicherheit zu verbessern. Es gibt keinen Mangel an Mahnmalen, wohl aber an Konsequenz. Wo Synagogen seit den 1950 Jahren bis heute Polizeischutz benötigen, werden antisemitische Strukturen nicht an der Wurzel gepackt, sondern symbolisch übertüncht. Der Staat ehrt seine toten Juden, weil die lebenden ihm zu unbequem sind.

 

Instrumentalisierung und Repression


Statt Ursachenforschung setzt der Staat auf Verbote: Demonstrationen werden untersagt, Grundrechte eingeschränkt. Diese Maßnahmen treffen oft nicht die Täter*innen, sondern jene, die durch ihre Zugehörigkeit zu migrantischen oder muslimischen Communities ohnehin unter Generalverdacht stehen. Antisemitismusbekämpfung wird so zum Werkzeug rassistischer Repression – nicht, um jüdische Menschen zu schützen, sondern um die Mehrheitsgesellschaft zu stabilisieren.

 

Externalisierung als Schuldabwehr


Antisemitismus wird als Importproblem deklariert. Die Schuld für antisemitische Vorfälle wird auf Migrant*innen projiziert, vor allem auf muslimische Menschen. Dies entlastet die deutsche Mehrheitsgesellschaft von der Auseinandersetzung mit eigenen historischen und gegenwärtigen antisemitischen Kontinuitäten. Wer Antisemitismus als etwas Externes darstellt, entkommt der unbequemen Frage, wie tief er in die Strukturen der Gesellschaft eingebettet ist.

 

Rassistische Doppelstandards


Während antisemitische Vorfälle in migrantischen Milieus lautstark skandalisiert werden, begegnet man vergleichbaren Vorfällen in der deutschen Mehrheitsgesellschaft mit Nachsicht. Der Fall Hubert Aiwanger, dessen antisemitische Flugblätter als „Jugendsünde“ verharmlost wurden, steht exemplarisch für diesen selektiven Umgang. Antisemitismusbekämpfung wird zum Deckmantel, unter dem antimuslimischer Rassismus salonfähig bleibt.

 

Moralische Selbstvergewisserung


Das eigentliche Ziel der deutschen Antisemitismuspolitik ist nicht der Kampf gegen Antisemitismus, sondern die eigene Selbstvergewisserung. Der Staat präsentiert sich als moralischer Vorreiter, als läuterter Akteur, der aus der Geschichte gelernt hat. Doch diese Inszenierung entpolitisiert die Problematik. Sie verschleiert, dass der bürgerliche Kapitalismus – mitsamt seinen sozialen Hierarchien und Ausgrenzungsmechanismen – Nährboden für antisemitische Ideologien bleibt.

 

Gegeneinander-Ausspielen von Antisemitismus und Rassismus


Eine besonders perfide Strategie ist die Hierarchisierung der Diskriminierungsformen. Antisemitismus und Rassismus werden gegeneinander ausgespielt, anstatt sie als miteinander verknüpfte Machtstrukturen zu begreifen. Diese Praxis spaltet potenzielle Solidaritäten und stabilisiert bestehende Ungleichheiten.

 

Diskurs und Konsens


Am Ende steht der nationale Konsens: Deutschland als moralischer Vorreiter, der Antisemitismus energisch bekämpft – zumindest rhetorisch. Diese Inszenierung dient nicht der Veränderung, sondern der Stabilisierung. Sie verdrängt Schuld und Verantwortung und präsentiert eine Normalität, die das System nicht hinterfragt.

 

Eine untaugliche Läuterung


Die deutsche Antisemitismusbekämpfung schützt niemanden – außer den Nationalkonsens. Sie ist ein Lack, der die Risse eines Systems überdeckt, das weder mit Antisemitismus noch mit Rassismus brechen will. Ein echter Kampf gegen Antisemitismus sähe anders aus: radikal, solidarisch und ohne Blick auf die nationale Selbstinszenierung.

Kritik zu üben bedeutet, das Zusammenspiel von Symbolpolitik, Rassismus und Machtverhältnissen offenzulegen. Ohne diese radikale Analyse bleibt Antisemitismusbekämpfung ein leeres Versprechen.


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