TL;DR: Jan van Aken von der Linken bezeichnet die FDP als „asozial“, was die Doppelmoral der Partei offenbart, die sich sonst gegen die Verwendung dieses Begriffs durch andere Parteien stellt. Historisch belastet, wurde „asozial“ einst zur Stigmatisierung von sozial Schwächeren verwendet, doch Die Linke nutzt den Begriff nun selbst in ihrem politischen Kampf. Diese selektive Anwendung von Moral zeigt sich auch in ihrer widersprüchlichen Haltung zur Ukraine und ihren Forderungen nach einem Waffenstillstand, der Russland begünstigt. Letztlich stellt sich die Frage, ob eine Partei, die so offen mit Doppelmoral spielt, noch glaubwürdig bleiben kann.
Jan van Aken, Spitzenkandidat der Partei Die Linke, zieht in die Bundestagswahl mit einem klaren Ziel und einer markigen Parole: „Wir hier unten gegen die da oben.“ Doch wer genau sind „die da oben“? Die FDP, die in seinen Worten „asozial“ ist und übertroffen werden muss. Diese Aussage findet im linken Lager Zuspruch und entfacht zugleich eine Frage zur Doppelmoral: Die Linke selbst protestiert regelmäßig empört, wenn konservative, neoliberale oder sozialdemokratische Politiker*innen genau solche Begriffe zur Stigmatisierung sozial Schwächerer verwenden. Hier also die Frage: Ist „asozial“ nur dann eine verbale Waffe der Ungerechtigkeit, wenn es die Linke selbst trifft? Oder zeigt sich hier ein bedenkliches Ausmaß an moralischer Flexibilität?
Der Begriff „Asozial“ und seine deutsche Geschichte
Ein Blick zurück zeigt, dass der Begriff „asozial“ in Deutschland historisch stark belastet ist. Während des Nationalsozialismus diente „asozial“ als offizielle Kategorie, um unerwünschte Gruppen wie Obdachlose, Bettler*innen und Sinti und Roma auszugrenzen und zu verfolgen. In der Nachkriegszeit setzte sich diese Tradition in abgeschwächter Form fort, und auch heute noch taucht das Wort immer wieder in politischen Debatten auf, meist abwertend.
In der Hartz-IV-Debatte beispielsweise griffen konservative und neoliberale Politiker*innen wie selbstverständlich zu Begriffen wie „Sozialschmarotzer“ und „Drückeberger“, um langzeitarbeitslose Menschen zu diffamieren. Linke Politiker*innen wie Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht reagierten scharf: Sie bezeichneten diese Rhetorik als menschenverachtend und als systematische Entwertung von Menschen, die auf Unterstützung angewiesen sind. „Asozial“ sei ein Stigma, so Die Linke damals, das verletze und ausgrenze. Auch als der CDU-Politiker Jens Spahn 2018 obdachlose Menschen als „selbstverschuldet asozial“ bezeichnete, prangerte Katja Kipping dies als „asoziale Arroganz“ an und forderte ein Ende der Stigmatisierung. Doch wie glaubwürdig ist eine Partei, die solche Begriffe nun selbst verwendet?
Die Ironie ist, dass Die Linke einst eine Führungsrolle dabei übernahm, solche abwertenden Begriffe in Frage zu stellen – nun aber zückt sie das „asozial“ wie ein Schwert, wenn es gegen politische Gegner geht. Offenbar gilt der moralische Appell immer nur dann, wenn er den eigenen Interessen dient.
Doppelmoral der Linken: Wann ist „asozial“ erlaubt?
Der Fall Jan van Aken zeigt nicht nur ein Problem einzelner Politiker*innen, sondern eine tief verwurzelte Doppelmoral in der Partei Die Linke. Während sie sich sonst gegen die pauschale Verunglimpfung von Menschen wendet, die soziale Unterstützung benötigen, ist es kein Problem, wenn „asozial“ gegen die FDP eingesetzt wird. Beispiele für diese selektive Empörung finden sich viele. Als in den letzten Jahren konservative und neoliberale Politiker*innen wie Vertreter der FDP Begriffe wie „Sozialschmarotzer“ oder „Parasiten“ verwendeten, positionierte sich Die Linke als moralische Instanz gegen solche Diffamierungen. Doch der Fall Jan van Aken zeigt, dass Die Linke offenbar bereit ist, genau die Rhetorik anzuwenden, die sie bei anderen als menschenverachtend kritisiert.
Gleichzeitig tritt die Doppelmoral der Linken immer wieder in anderen Bereichen zutage. Die Partei betont, solidarisch mit der angegriffenen Ukraine zu sein, ruft jedoch zu Demonstrationen auf, deren Aufrufe den russischen Angriffskrieg entweder verschweigen oder diesen indirekt rechtfertigen. Die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand ignoriert die Verteidigungsbemühungen der Ukraine und verklärt Russland zur „Friedensmacht“. Der „Friedensaufruf“ erweist sich als das Gegenteil – als einseitige Forderung nach einer Kapitulation der Ukraine, die das Land Putins imperialen Ambitionen ausliefern würde.
Noch ein Beispiel: Dietmar Bartsch steht im Bundestag und erklärt mit ernster Miene, die geplanten amerikanischen Dark-Eagle-Raketen mit einer Reichweite von 2.800 Kilometern könnten „bis zur Wolga und zum Ural fliegen“. Gleichzeitig erwähnt er beiläufig, dass die russischen Iskander-Raketen, stationiert in Kaliningrad und nuklear bestückbar, nur eine Reichweite von 500 Kilometern hätten. „Diese würden zwar meine wunderbare Geburtsstadt Stralsund erreichen“, sagt Bartsch, „aber bis Rostock kämen sie nicht mehr.“ Die Linke spricht sich also vehement gegen die amerikanischen Raketen aus, schweigt jedoch zu den russischen – ein Paradebeispiel linker Doppelmoral.
Die Rolle der Sprache: Widerspruch als Prinzip
Ein kritischer Blick auf die Rhetorik der Linken zeigt, wie selektiv sie die Macht der Sprache interpretiert. Begriffe wie „asozial“ oder „Schmarotzer“ sind für sie immer dann untragbar, wenn sie von Konservativen oder Sozialdemokrat*innen kommen. Doch wenn es darum geht, politische Feindbilder zu bedienen, scheint eine Polemik plötzlich nicht mehr unter die moralische Grenze zu fallen. Offensichtlich nutzt auch Die Linke stigmatisierende Begriffe, um ihre Gegner zu diffamieren und eigene politische Narrative zu bedienen. Es entsteht der Eindruck, dass moralische Prinzipien von Die Linke nur situativ gültig sind, abhängig davon, wen sie betreffen.
Jan van Aken, der die FDP als „asozial“ abstempelt, gibt dabei nur das wieder, was in der gesamten Partei offensichtlich geworden ist: Prinzipien sind schön und gut, solange sie den eigenen Zielen nicht im Wege stehen. Dies verlagert die politische Diskussion von der Sachebene zur bloßen Gegnerschaft – und lässt die Frage offen, ob Die Linke in dieser Rhetorik überhaupt noch irgendeine echte Glaubwürdigkeit bewahren kann.
Glaubwürdigkeit durch Doppelmoral verspielt
Die eigentliche Frage ist nicht, ob die moralische Überlegenheit der Linken gebrochen ist – sondern ob eine Partei glaubwürdig bleiben kann, deren Spitzenkandidat die Doppelmoral so offen zur politischen Taktik erhebt. Jan van Akens „Wir hier unten gegen die da oben“ klingt zunächst nach Klassenkampf, entpuppt sich jedoch als rhetorischer Trick, der nur dazu dient, die eigene moralische Flexibilität zu verschleiern. Eine Partei, die ständig von Solidarität spricht, zugleich jedoch eine selektive Friedenspolitik propagiert, die Angreifer verschweigt und die Opfer im Stich lässt, beweist, dass es ihr oft mehr um politischen Effekt geht als um Prinzipien.
Die Forderung nach einem Waffenstillstand, der Russland zur „Friedensmacht“ und die Ukraine zum Prügelknaben macht, die einseitige Kritik an amerikanischen Raketen bei gleichzeitiger Toleranz russischer Bedrohung – das ist keine Politik der Solidarität. Es ist eine Politik der opportunistischen Kehrtwenden, in der das Wort „asozial“ nur eine weitere Waffe ist.
Die Linke sollte sich fragen, ob ihre moralische Empörung in einer Zeit, in der jede ihrer eigenen Forderungen ihr Spiegelbild zeigt, überhaupt noch von irgendeiner Substanz ist – oder ob sie sich selbst längst als Partei der Doppelmoral entlarvt hat.
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