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Das Schweigen der Linken

  • kpeterl
  • 28. März
  • 3 Min. Lesezeit

TL;DR: Die Proteste in Gaza richten sich gegen die Hamas und den Krieg – und die deutsche Linke schweigt. Wer Palästinenser*innn nur zuhört, wenn sie das Richtige sagen, ist sich nicht solidarisch, sondern macht sich zum Komplizen der Unterdrückung.


Palästinense*innr nehmen am 26. März 2025 in Beit Lahiya im nördlichen Gazastreifen an einem Anti-Hamas-Protest teil und fordern ein Ende des Krieges mit Israel.
Palästinense*innr nehmen am 26. März 2025 in Beit Lahiya im nördlichen Gazastreifen an einem Anti-Hamas-Protest teil und fordern ein Ende des Krieges mit Israel.

Über die linke Sprachlosigkeit zu den Gaza-Protesten gegen Hamas

 

Im Gazastreifen protestieren Menschen. Nicht mit Gewehren, nicht mit Raketen, nicht mit Märtyrerpathos. Sondern mit bloßen Händen, mit der Stimme der Verzweiflung – und der Hoffnung. Sie fordern ein Ende des Krieges, der am 7. Oktober 2023 mit dem Überfall der Hamas auf Israel begonnen wurde. Sie fordern Frieden von Israel. Sie fordern Freiheit. Sie fordern den Sturz der Hamas.


Für die deutsche Linke, die sich in ihrer Haltung wärmt wie andere in der Fußbodenheizung, ist das ein Betriebsunfall. Proteste gegen die Hamas? Das passt nicht ins Narrativ. Die „Zivilbevölkerung“, die man sonst mit Slogans beschwört und mit Kufiya im Bundestag repräsentiert, wird im linken Diskurs plötzlich unsichtbar, wenn sie das Falsche sagt.


Statt Applaus für die Demonstrant*innen: Stille. Statt Solidarität mit der sich so äußernden Zivilgesellschaft: Sprachlosigkeit. Statt Empathie für die Leidtragenden einer islamistischen Diktatur: ideologische Bequemlichkeit.


 

Das Verstummen der Lautsprecher

 

Nicole Gohlke, Ulrike Eifler, Ferat Koçak, Luigi Pantisano, Özlem Alev Demirel – sonst schnell am Smartphone, wenn es gilt, Israel des „Genozids“ zu bezichtigen – nun: digitale Funkstille. Ihre Empörung ist selektiv wie ein Zollbeamter im Kalten Krieg.

 

Und im Bundestag: die feierliche Premiere von Cansın Köktürk, geschmückt mit Kufiya. Symbolischer Schulterschluss mit der palästinensischen Zivilbevölkerung – zumindest mit dem Teil, der zur eigenen Weltanschauung passt. Die Protestierenden in Gaza scheinen nicht dazuzugehören. Falsches Timing, falsche Gegner*innen. Man hört nichts von ihr. Nicht einmal ein solidarisches Seufzen.

 

Diese demonstrierenden Palästinenser*innen haben kein Banner, das man sich bedenkenlos um den Hals hängen kann. Sie wollen weder Kalifat noch Kriegsrhetorik. Sie wollen in Frieden und Freiheit leben – ohne Israel, aber vor allem ohne Hamas. Und genau das macht sie für viele Linke so unbequem.

 

Die Realität, wie sie ist

 

Denn wer sich in Deutschland „antizionistisch“ nennt, meint meist bloß: gegen Israel, bedingungslos. Der Begriff „Palästina“ dient in diesen Kreisen nicht der Zivilbevölkerung, sondern als Projektionsfläche einer moralisch überspannten Außenpolitik-Performance.

 

Und plötzlich stehen sie da, die Menschen in Gaza – und zerstören das Gleichgewicht der Erzählung. Denn sie sagen: Nein zur Hamas. Nein zur israelischen Gewalt. Für jene, die nur einen Feind dulden, ist das schon zu viel Dialektik.

 

Die Wahrheit ist: Diese Menschen stehen zwischen zwei autoritären Regimen. Die Hamas, ein militärisch durchorganisiertes Islamistenkartell, das die eigene Bevölkerung als Schutzschild missbraucht. Und die israelische Regierung, die den Krieg längst zu einem Maßstab militärischer Enthemmung gemacht hat.

 

Diese Realität ist zu komplex für Slogans. Zu unbequem für Bekenntniskarten. Und offenbar zu menschlich für jene Teile der Linken, die lieber gegen Israel demonstrieren, als Palästinenser*innen zuzuhören, die nicht mitmachen wollen beim Chor der ewigen Schuldzuweisung.

 

Wulf Gallert, einer der wenigen mit Rückgrat in der Partei Die Linke, bringt es auf den Punkt:

„Im Gaza-Streifen demonstrieren Menschen unter Lebensgefahr gegen israelische Kriegsführung und Hamas gleichermaßen. Sie brauchen Ermutigung und Unterstützung auch und gerade durch die internationale Linke.“

 

Und auch Daphne Weber – ehemals im geschäftsführenden Bundesvorstand der Partei Die Linke – beweist, dass Klarheit möglich ist:

„Palästinenser demonstrieren gegen die terroristische Hamas und den Krieg, Israelis demonstrieren gegen die rechte Regierung und den Krieg. Diese Menschen sind Bezugspunkte für Linke – und Hoffnung, dass die Gewaltspirale eines Tages enden möge.“

 

Es ginge also anders. Wenn man nur wollte.

 

Zwischen Geschichte und Gegenwart

 

Denn wer heute noch ernsthaft glaubt, die Hamas sei ein „Befreiungsprojekt“, der möge bitte auch der Staatssicherheit posthum das Bundesverdienstkreuz verleihen. Der Knüppel, der auf Protestierende niedersaust, kennt keine Sprache – nur die Stille derer, die ihm zusehen.

 

Die Parteinahme für die Hamas ist in Teilen der deutschen Linken kein Versehen. Sie ist eine politische Bankrotterklärung. Eine Parteinahme gegen die eigene Zielgruppe: die entrechtete Zivilbevölkerung.

 

Die Partei Die Linke muss ihr Schweigen brechen. Nicht nur aus politischer Verantwortung – sondern aus moralischer Notwendigkeit. Wer den Palästinenser*innen nur dann Gehör schenkt, wenn sie das Richtige sagen, stellt sich nicht an ihre Seite – sondern benutzt sie.

 

Dies ist kein Konflikt zwischen Hamas und Israel. Es ist ein Aufschrei der Zivilbevölkerung gegen das Gewaltregime der Hamas und den Krieg aus Israel. Und wer hier schweigt, versagt nicht nur politisch, sondern existenziell.

 

Es ist ein Prüfstein. Für Anstand. Für Menschlichkeit. Und für eine Linke, die sich entscheiden muss: Zwischen dumpfer Nostalgie, die Antizionismus mit Haltung verwechselt – und der aufrichtigen, schwierigen Solidarität mit jenen, die das Leben über das Narrativ stellen.

 

Wer das nicht aushält, sollte endlich das tun, was er ohnehin schon tut: schweigen. Aber dann bitte nicht mehr im Namen der Menschlichkeit.

 

 
 
 

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