TL;DR:Die AfD inszeniert sich als Verteidigerin jüdischer Interessen, nutzt jedoch Antisemitismus als Waffe, um antimuslimischen Rassismus zu schüren. Indem sie Antisemitismus als „importiertes Problem“ darstellt, ignoriert sie judenfeindliche Traditionen in Deutschland und betreibt Geschichtsverfälschung. Der Zentralrat der Juden warnt vor dieser Doppelmoral, da die AfD keine echte Solidarität zeigt, sondern das Judentum lediglich instrumentell nutzt. Damit führt die AfD einen rhetorischen Kampf gegen die pluralistische Gesellschaft und betreibt gezielte Heuchelei.
Von außen betrachtet, könnte man fast glauben, die AfD habe sich als letzte Bastion des jüdischen Lebens in Deutschland aufgeschwungen. Da wird mit Pathos von einem „Schutz jüdischer Interessen“ gesprochen, von der Sorge um die Sicherheit unserer jüdischen Mitbürger, die – so die AfD – in Gefahr seien. Doch sieht man genauer hin, zerfällt diese vermeintliche Sorge zu einem widerlichen Spiel, bei dem Antisemitismus zur rhetorischen Waffe wird – gegen Muslime, gegen Migranten, gegen die pluralistische Gesellschaft.
Die Amadeu Antonio Stiftung dokumentiert, wie rechte Akteure den Antisemitismus als „importiertes Problem“ etikettieren, als Fremdkörper, der erst durch muslimische Migranten in die deutsche Gesellschaft eingebracht worden sei. Eine perfide Umkehrung der Realität: Jahrhunderte alte judenfeindliche Traditionen werden unsichtbar gemacht, verschleiert, als wäre Deutschland bis vor Kurzem noch frei von Antisemitismus gewesen. Man zeigt mit dem Finger auf „den importierten Judenhass“ und ignoriert dabei die hiesige judenfeindliche Gewalt – jene, die in Synagogen brennt und die jüdischen Friedhöfe schändet. Die AfD betreibt das, was sie anderen gerne vorwirft: Geschichtsverfälschung.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, hat es klarsichtig auf den Punkt gebracht: Die AfD inszeniert sich als Verteidigerin der jüdischen Gemeinschaft, jedoch ohne echtes Interesse am Schutz jüdischen Lebens in Deutschland. Schuster sprach von einer „perfiden Doppelmoral“, die zeigt, wie einflussreiche rechte Stimmen das Judentum als bloßes Mittel nutzen, um antimuslimischen Rassismus zu verstärken. Für die AfD ist das Judentum keine schützenswerte Gemeinschaft, sondern ein politischer Hebel, um das Narrativ vom „fremden Feind“ zu schüren. Dieses instrumentelle Verhältnis zeigt sich in ihrer Politik: Mehrmals forderte die AfD in Landtagen Schutzmaßnahmen gegen „importierten Antisemitismus“. Maßnahmen gegen Rechtsextremismus? Fehlanzeige.
Man könnte also fragen: Wo war diese große Sorge, als Rechtsextreme in Chemnitz durch die Straßen zogen und das antisemitische Vokabular vor aller Augen durch die Stadt grölten? Wo war diese Empörung über Antisemitismus, als ein rechtsextremer Attentäter 2019 die Synagoge in Halle angriff? Schweigen und Relativierung, das sind die Antworten der AfD, wenn der Judenhass aus den eigenen Reihen sickert.
Diese Umdeutung ist nicht neu. Die AfD reiht sich ein in eine lange Linie rechter Taktiken, bei denen Minderheiten gegeneinander ausgespielt werden, wenn es politisch opportun ist. Hermann L. Gremliza beschrieb einst die Bereitschaft der Rechten, sich als „Freunde der Juden“ zu inszenieren, sobald sich andere Feindbilder bieten – Feindbilder, die man ohne Rücksicht auf Verluste anfeuern kann, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Die Rechten „werden erst dann Freunde der Juden, wenn die Umstände es zulassen, die alten Feindbilder gegen andere auszutauschen“, schrieb Gremliza und ließ keinen Zweifel daran, dass es keine wahre Freundschaft, sondern blanker Opportunismus ist, der aus dieser Pseudobeschützerrolle spricht.
Der Antisemitismus der AfD ist damit kein politisches Problem, das sie zu lösen sucht, sondern eine Ressource, ein rhetorisches Werkzeug in ihrem Kampf gegen die pluralistische Gesellschaft, die sie ablehnt. Die jüdische Gemeinschaft wird zum Schachbrettfigur – ein Spiel, das durch gezielte Heuchelei und doppeltes Spiel zu einem moralischen Fiasko für jeden wird, der sich für wahre Toleranz und gegen tatsächlichen Judenhass einsetzen will. Wer gegen Antisemitismus ist, bekämpft ihn in all seinen Formen, auch wenn er sich unter einem blauen Banner versteckt.
Comments