TL;DR:Die israelische Regierung hat einen Boykott der Zeitung Haaretz für staatlich finanzierte Organisationen beschlossen, was einen Angriff auf die Pressefreiheit darstellt. Als Vorwand dienten kritische Äußerungen des Herausgebers Amos Schocken, die bewusst aus dem Kontext gerissen wurden, um die Zeitung als staatsfeindlich darzustellen. Der Beschluss wurde ohne rechtliche Prüfung durchgesetzt, ein Vorgehen, das autokratische Tendenzen zeigt. Kritiker sehen darin eine systematische Untergrabung der Demokratie, ähnlich wie bei Putin, Orbán oder Erdoğan. Haaretz zeigt sich widerständig, doch der Fall wirft ein düsteres Licht auf die Zukunft von Meinungsfreiheit und Demokratie in Israel.
Wo die Macht wankt, da wütet sie. Benjamin Netanjahu zeigt einmal mehr, wie Autokraten mit Kritik umgehen: Wer Fragen stellt, wird zum Feind. Wer widerspricht, zum Staatsfeind. Und wer wagt, diese Kritik auch noch zu drucken, kann sich warm anziehen. Der jüngste Beschluss der israelischen Regierung, staatlich finanzierte Organisationen zum Boykott der Zeitung Haaretz zu verpflichten, ist nichts weniger als ein Angriff auf die Grundfesten der Demokratie – getarnt als Verteidigung des Staates.
Ohne Vorwarnung, ohne rechtliche Prüfung, ohne Diskussion. So wurde der Vorschlag von Kommunikationsminister Shlomo Karhi durchgepeitscht, von Netanjahu persönlich abgesegnet. Was zu erwarten war: Demokratie, dieser lästige Verwaltungsakt, wird effizient umgangen, wenn die Macht am Hebel sitzt. Der Vorwand? „Haaretz untergräbt die Legitimität Israels und unterstützt den Terrorismus“, lautet die pathetische Anklage. Beweise? Schockens Aussagen, aus dem Zusammenhang gerissen und politisch ausgeschlachtet.
Dabei war Amos Schockens Kritik an der Netanjahu-Regierung eine längst überfällige Analyse: Die Apartheidpolitik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung, der unerbittliche Kampf gegen Freiheitsbewegungen, die Israels Militär als Terroristen stigmatisiert – Themen, die in Israel kaum jemand ansprechen mag. Doch Schocken sprach sie an. Und das, so die Regierung, ist unverzeihlich. Dass Schocken in aller Deutlichkeit klarstellte, dass er nicht die Hamas meinte, sondern auf Freiheitskämpfer Bezug nahm, die auch Terrortaktiken anwenden – uninteressant. Im autoritären Drehbuch zählt nicht, was gesagt wurde, sondern, was man daraus machen kann.
So schnell wird aus Kritik Terror, aus einer unabhängigen Zeitung ein Staatsfeind. Ein klassisches Drehbuch, bekannt aus Moskau, Budapest, Ankara. Wo Putin Nowaja Gaseta zum Schweigen bringt, Orbán Index.hu zerstört und Erdoğan den letzten Journalisten einkerkert, da eifert Netanjahu seinen Vorbildern nach. Haaretz, sagt die Regierung, müsse der Legitimität Israels dienen – nicht ihr im Weg stehen. Dabei hat Haaretz nie etwas anderes getan, als die Regierung an ihren eigenen demokratischen Ansprüchen zu messen. Ein tödlicher Fehler in einem System, das Demokratie nur als Rhetorik versteht.
Doch das größere Problem ist nicht Netanjahu, nicht Karhi, nicht der Boykott. Das größere Problem ist die Stille. Denn die Stille, die solche Angriffe erzeugen, ist das wahre Ziel. Eine Demokratie ohne Kritik, ohne Debatte, ohne Streit ist keine Demokratie. Es ist ein Schattenstaat, eine Kulisse, in der die Mächtigen ungestört walten können. Israel, das einst als Bastion demokratischer Werte im Nahen Osten gepriesen wurde, wird so Schritt für Schritt in eine Autokratie verwandelt.
Und Haaretz? Die Zeitung gibt sich kämpferisch. „Wir werden nicht zurückschrecken“, heißt es in ihrer Stellungnahme, „und uns nicht in ein Regierungspamphlet verwandeln.“ Worte, die man nur hoffen kann. Denn eine Demokratie ohne freie Presse ist wie ein Land ohne Licht. Doch wenn die Dunkelheit zunimmt, wird bald niemand mehr wissen, wo der Lichtschalter war.
Die Netanjahu-Doktrin ist klar: Kritiker werden zu Feinden erklärt, Feinde zu Terroristen. Und während die Macht mit eiserner Faust regiert, bleibt eine Frage: Wie lange noch, bis Israel das letzte Licht ausknipst?
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