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Die neuen Brandstifter und ihr geheucheltes Plädoyer für Freiheit

kpeterl

TL;DR: JD Vance erklärt Europas Demokratie selbst zur größten Bedrohung – AfD und das BSW jubeln. Brandmauern gegen die AfD sollen fallen? Gefährlicher Unsinn! Demokratie muss sich wehren, bevor Brandstifter wie Vance & Co. das Haus endgültig in Flammen setzen.



Man stelle sich vor, ein amerikanischer Vizepräsident tritt ans Rednerpult und erklärt voller Pathos, die größte Bedrohung für Europa sei nicht etwa das kriegerische Russland oder ein zunehmend aggressives China, sondern – man halte sich fest – Europa selbst. Das wahre Gift, so JD Vance, kriecht nicht von außen in die Adern des alten Kontinents, sondern wird von seinen eigenen Institutionen produziert. Ein Schelm, wer dabei an den guten alten Reichstagsbrand denkt, dessen historische Lehren man in ultrarechten Kreisen wohl eher als Betriebsanleitung denn als Mahnung liest.

 

Freiheit statt Fakten – das war die eigentliche Überschrift dieser Rede, die weniger eine Ansprache als vielmehr eine Inbetriebnahme einer transatlantischen Brandstiftung war. Die populistische Rechte jubelt, und mit ihr die üblichen Verdächtigen: Weidel, Orbán und das BSW, jene Gurkentruppe im politischen Schattenreich, die ihre Tage damit verbringt, von einer „eingeschränkten Meinungsfreiheit“ zu fabulieren, während sie gleichzeitig genüsslich davon profitieren, dass sie diese angebliche Unterdrückung ganz öffentlich anprangern dürfen – mit Retweets, Pressekonferenzen und, man staune, besten Sendeplätzen im deutschen Fernsehen.

 

Wenn Vance in seiner Rede über „bedrohte Werte“ und „mutlose europäische Eliten“ spricht, klingt das, als hätte Steve Bannon höchstpersönlich die Stichpunkte diktiert – vermutlich direkt aus der Datscha seines Freundes Alexander Dugin. Die „europäische Demokratie“, jenes fragile, aber über Jahrzehnte hart erkämpfte Gebilde, wird in dieser Rhetorik zum Experiment von Globalisten degradiert, die angeblich nichts Besseres zu tun haben, als die „wahre Stimme des Volkes“ zu unterdrücken. Es ist das klassische Rechtsaußen-Drehbuch: erst die Opferrolle einnehmen, dann den Begriff der Freiheit so weit verdrehen, dass er selbst autoritären Strukturen als Deckmantel dienen kann.

 

Doch zurück nach Deutschland, wo Verteidigungsminister Pistorius den Vizepräsidenten an die historische Verantwortung Deutschlands erinnerte, die Firewall gegen die AfD aufrechtzuerhalten. Pistorius macht deutlich: Eine Demokratie muss in der Lage sein, sich zu wehren, ohne gleich dem hysterischen Freiheitsgeplärre der extremen Rechten nachzugeben. „Demokratie bedeutet nicht, dass die laute Minderheit automatisch Recht hat“, sagte er – und man wünschte sich, er hätte auch gleich hinzugefügt: Demokratie bedeutet vor allem, dass Brandstifter keine Feuerwehrautos fahren dürfen.

 

Aber nein, die Herren vom BSW wie Andrej Hunko und Shervin Haghsheno fühlen sich natürlich bestätigt. „Rede von JD Vance – eine Lektion für das europäische Establishment!“ tönt es von rechts. Man könnte fast lachen, wäre es nicht so gefährlich: Ein amerikanischer Vizepräsident, der Europas Sicherheitskonferenz als Bühne für seine autoritäre Freiheitsfarce missbraucht und sich anschließend bei den üblichen Scharfmachern der AfD die Hände schütteln lässt.

 

Dass ausgerechnet Deutschland, jenes Land, das seine Demokratie mit historischen Brandmauern gegen Nationalsozialismus und völkisches Denken verteidigt, sich nun von einem transatlantischen Demagogen sagen lassen soll, diese Mauern niederzureißen, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Wenn die Demokratie das Recht jedes Einzelnen auf Meinungsfreiheit verteidigt, dann nicht, um denjenigen die Bühne zu geben, die diese Demokratie selbst verachten.

 

Vance fordert von Europa demokratische Mandate – doch welche Demokratie meint er eigentlich? Die Demokratie, die Trump und seine Getreuen mit Lügen über Wahlbetrug unterminieren? Die Demokratie, die den Mob anspornt, das Kapitol zu stürmen? Oder die Demokratie, in der Cancel Culture zum größten Verbrechen aufgeblasen wird, während man politische Gegner in Lager „echter Patrioten“ und „Volksverräter“ einsortiert?

 

Vielleicht, und das ist die bittere Wahrheit, meinte Vance schlicht und einfach das Ende der Demokratie – verpackt in schöne Worte über die Freiheit, die seine neuen Freunde auf beiden Seiten des Atlantiks längst als Waffe benutzen.

 

Deutschland täte gut daran, die Brandmauer höherzuziehen – und zwar ausnahmsweise nicht zum Schutz vor dem Wind, sondern vor dem Feuer, das JD Vance und die AfD so gerne schüren würden.

 

 

 
 
 

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