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Die Populismus-Inszenierung des Fabio de Masi

TL;DR: Fabio de Masi beschreibt Trumps Wahlsieg als Triumph eines „wahren“ Volksvertreters gegen das „liberale Establishment“, greift dabei aber auf die Rhetorik der Neuen Rechten zurück. Tatsächlich ist Trumps Sieg nichts weiter als ein Machtspiel der Superreichen, zu denen er selbst als Sohn eines Immobilienmoguls gehört und von Milliardären wie Elon Musk und Peter Thiel unterstützt wird. De Masi zeichnet zudem ein überholtes Bild von Europa als Opfer der US-Politik, während er das angebliche „wahre Volk“ als Gegensatz zu den Eliten aufbaut – ein typisches Narrativ des rechten Populismus. Seine Analyse erscheint so weniger als echte Kritik, sondern als Inszenierung, die das System verkompliziert, ohne dabei dessen wahre Dynamiken zu durchleuchten.



 

Fabio de Masi hat heute eine „Analyse“ zum Wahlsieg von Donald Trump veröffentlicht – verfasst im Jargon der Neuen Rechten. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, seine Analyse zu analysieren. Wenn man Fabio de Masis Text liest, könnte man meinen, hier spräche ein scharfsinniger Volkstribun, der die großen politischen Zusammenhänge entlarvt. „Sollte keine größere Überraschung mehr geschehen, hat Donald Trump die US-Wahlen deutlich gewonnen.“ De Masi scheint Trumps Erfolg fast herbeizusehnen, als handle es sich um den Sieg eines „wahren“ Volksvertreters gegen die „etablierten Eliten“. Doch wie viel von dieser Analyse ist tatsächlich Einsicht – und wie viel ist schlicht die hohle Pose eines Empörten, der im Jargon der Neuen Rechten spricht?

 

Das Märchen vom bösen Establishment

 

„Eine demokratische Kandidatin ohne erkennbares Programm“, schreibt de Masi. Aha, das alte Lied. Ein liberaler Politiker oder eine Politikerin, dargestellt als seelenloser Automat ohne Richtung, während Trump als Stimme des Volkes reüssiert. Ein Satz wie aus dem Handbuch des rechten Populismus: das „liberale Establishment“ als überforderte Clique, die „das Volk“ längst vergessen hat. Doch was hier inszeniert wird, ist nicht etwa der Aufstand eines „Mittelschichtskinds“, sondern der Sieg eines Milliardärs, der selbst aus den Reihen der Superreichen stammt. Der Sohn eines Immobilienmoguls, der sich nicht scheut, Milliardäre wie Elon Musk, Miriam Adelson, Tim Mellon, Peter Thiel oder Paul Singer für seine Zwecke zu gewinnen, ist sicher nicht das Kind der einfachen Leute.

 

Trumps Sieg stellt vielmehr den Triumph eines bestimmten Establishments dar: Das, was de Masi als „liberal“ oder „demokratisch“ beschimpft, wird hier nur durch ein anderes Stück Elite ersetzt. Die finanziellen Schwergewichte, die die Trump-Kampagne stützen, haben nichts mit einem Kampf gegen die Macht zu tun – sie sind die Macht. Hier wurde das Establishment lediglich neu etikettiert, doch wer glaubt, dass Trumps Sieg eine Rebellion gegen das Establishment an sich bedeutet, unterliegt einem gewaltigen Trugschluss.

 

Wall Street als Feindbild: Populismus in Reinform

 

De Masi zieht weiter: „Die jahrzehntelange Politik im Dienste der Wall Street“ habe „die Reallöhne der Mittelschicht unter Druck gesetzt.“ Der böse Wall-Street-Gigant als Symbol für alle Übel. Trumps angeblicher Wahlsieg wird als Sieg gegen diese fiktive Hydra verkauft – eine Hydra, die Trump selbst über Jahre hinweg bestens gefüttert hat. Doch es ist ein altbewährter Trick: In dem Moment, wo „Wall Street“ zum Feind wird, stellt sich Trump selbst als Anti-System-Mann dar. Ein Milliardär im Kampf gegen „das System“ – und de Masi spielt mit. Als hätte Trump sich jemals für sinkende Reallöhne der Mittelschicht interessiert. Als wären seine „Steuersenkungen“ nicht vor allem seiner eigenen Klientel zugutegekommen.

 

„Kriegsmüdigkeit“ und die selektive Empörung über „Regime-Change-Kriege“

 

Weiter geht’s mit der „Kriegsmüdigkeit“ der Wähler. Es ist die perfekte Bühne für Trumps Inszenierung als der Mann, der sich gegen die „neokonservativen Regime-Change-Kriege“ stellt. De Masi lässt Trumps wahres Interesse an militärischen „Deals“ und gefährlicher Eskalation außen vor – die vermeintliche „Kriegsmüdigkeit“ der USA passt schließlich zu gut ins Bild eines „Volkspräsidenten“, der das „wahre“ Interesse des Volkes über die zerstörerischen Interessen der Eliten stellt. Die Phrase „Kriegsmüdigkeit“ – sie hätte kaum besser aus der Feder eines rechten Autors stammen können.

 

Am Rockzipfel der USA – Europa als „Opfer“ ohne Eigenverantwortung

 

Aber damit nicht genug. De Masi klagt, dass „wir keine eigenständige Politik entwickelt haben und am Rockzipfel der US-Politik hingen“. Das Opfer-Europa, ausgeliefert an die USA, ohnmächtig. Und natürlich wird Trump Europa „eine zerstörte Ukraine vor die Füße kehren“. Es ist eine Geschichte wie gemacht für rechte Seelen: das unterworfene Europa, das endlich von den USA „befreit“ werden muss. Das „Rockzipfel“-Narrativ der Neuen Rechten besagt stets: Erst, wenn man den Einfluss der USA abstreift, könne Europa zu wahrer Stärke gelangen. Man gibt sich als Anwalt europäischer Souveränität, doch was bleibt, ist die Mär einer ungewollten Fremdbestimmung. Europäische Entscheidungen? Fehlanzeige – man ist Opfer und Widersacher zugleich.

 

Die Kluft zwischen Volk und Elite – ein bekanntes Spaltungsmanöver

 

„Die unrealistischen Erwartungen des Establishments zeigen, dass die Stimmung in der Bevölkerung nie wirklich verstanden wurde.“ Mit diesem Satz bedient de Masi ein zentrales Element des rechten Diskurses: das vermeintliche Missverständnis zwischen Volk und Elite. Das „wahre Volk“ steht angeblich im Gegensatz zu einem abgehobenen Establishment. Aber wer spricht für dieses „wahre Volk“? Wer kennt „die Stimmung“ besser als andere? Der Satz suggeriert, dass nur ein Trump oder ein de Masi dieses „wahre Volk“ zu verstehen vermag. Doch das Bild vom „wahren Volk“ ist eine Konstruktion, ein fiktiver Block, der die Welt in zwei Lager teilt – in Wahrheit aber ebenso uneins wie die große Masse selbst.

 

Die Pose des Pseudo-Volkshelden

 

Fabio de Masi inszeniert sich mit seiner Analyse als Anwalt des Volkes, der die Lügen des Establishments entlarvt. Doch es ist ein Theaterstück, das aus dem Repertoire rechter Populisten längst bekannt ist. Das „liberale Establishment“ als Feind, die „Wall Street“ als Systemfeind und die „Kriegsmüdigkeit“ als Beweis der Weisheit des Volks – es sind altbekannte Bilder, die genau wie bei der Neuen Rechten mehr verdunkeln als erhellen. Es ist ein Schauspiel für ein fiktives Publikum, das sich an der Verklärung eines Milliardärs als Volksheld berauscht und dabei die eigentlichen Verhältnisse ebenso vergisst wie die „wahren“ Interessen des Volkes selbst.

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