TL;DR: Heidi Reichinnek zerfetzt mit scharfem Worten die Fassade der Anständigen, die montags gegen Faschismus reden und dienstags AfD-Politik exekutieren. Ihre Rede: eine wütende Abrechnung mit der Feigheit derer, die sich für Demokraten halten, während sie dem Faschismus den roten Teppich ausrollen.
Man hätte es wissen können. Man hätte es wissen müssen. Aber die deutsche Bourgeoisie – in ihrer ewigen Mischung aus autoritärer Sehnsucht und taktischer Borniertheit – wähnt sich noch immer in der Behaglichkeit einer Demokratie, die, so versichert man sich gegenseitig, selbstverständlich immun gegen ihre Feinde sei. Währenddessen stolziert Friedrich Merz in die Kniebeuge vor der AfD, seinen Hosenanzug wahlweise als Bollwerk oder Einladung interpretierend, je nachdem, wer im CDU-Parteipräsidium gerade lauter schreit. Und was erklärt er? Dass ein Antrag mit der AfD ja nicht gleich eine Koalition sei. Einmal nur, sagt der Frosch, dann springe ich aus dem Topf.
Und während er noch die Wassertemperatur testet, ruft Heidi Reichinnek aus, was offensichtlich ist: Wer mit Faschisten paktiert, wird von ihnen regiert. Wer mit ihnen stimmt, gibt ihnen Einfluss. Wer sich von ihnen treiben lässt, macht sich überflüssig. Aber die Union, von Friedrich Merz' Pathos gepeitscht, ist längst in der Phase der Verhandlung, der Anpassung, der „Realpolitik“. Sie verschärft das Asylrecht im Glauben, die AfD damit zu entzaubern, und wundert sich, wenn die AfD wächst. Sie ruft „Nie wieder!“, um zwei Tage später dem deutschen Wähler ein „Na gut, vielleicht doch“ hinterherzuraunen.
Reichinneks Worte brennen wie Salz auf der Rhetorik der Anpasser. Sie seziert die groteske Widersprüchlichkeit einer Politik, die glaubt, Faschisten zu bekämpfen, indem sie ihnen das Wasser reicht. Sie zeigt auf, wie sich SPD und Grüne in wohlfeilem Antifaschismus üben, um dann die eigenen Grundsätze unter den Applaus der Rechten zu schleifen. Wer Asylrechtsverschärfungen durchwinkt, wer Kinder in EU-Haftlager stecken lässt, wer Sozialleistungen kürzt, um bei „besorgten Bürgern“ zu punkten, der braucht sich nicht zu wundern, wenn diese Bürger am Ende gleich das Original wählen. 20 Prozent für die AfD sind keine Naturkatastrophe, sie sind das Produkt einer Politik, die dachte, Faschismus könne man durch Übernahme seiner Agenda besiegen.
Und dann, zwischen den herbeigelogenen Alternativlosigkeiten und dem Dauergejammer über den „Schulterschluss der Demokraten“, schlägt Merz sein nächstes Kapitel auf. Ein Antrag mit der AfD – nur einer! –, aber natürlich ganz aus Vernunft, aus Sachzwang, aus Verantwortung. Und weil die CDU ja eine Brandmauer habe. Dieselbe Brandmauer, die auch schon 1933 stand, bis man die Klinke der Macht in Hitlers Hand drückte.
Reichinnek nimmt kein Blatt vor den Mund, weil sie weiß: Es ist nicht die AfD, die sich anpassen muss – es ist die CDU, die es längst tut. Und wer von „Recht und Ordnung“ tönt, während er die Verfassung zerfleddert, wer auf Polizei und Härte setzt, während er den Sozialstaat aushöhlt, wer am Montag Auschwitz beschwört und am Mittwoch den Schulterschluss mit seinen Erben vollzieht, der braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm am Freitag das Schicksal der Weimarer Demokratie ereilt.
Aber man bleibt gelassen, versichert sich gegenseitig, dass man nur „Signale“ senden müsse, als sei das nächste Pogrom eine Marketingfrage. Man zieht Grenzen und verschiebt sie, man glaubt, den rechten Rand einhegen zu können, während man längst selbst in den Abgrund tritt. Wer mit Faschisten paktiert, ist kein Gegner, sondern Komplize. Wer das nicht versteht, dem sei gesagt: Die Geschichte kennt für solche Leute keinen Ehrenplatz. Sie kennt nur das Verlies.
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