TL;DR: „Teichert rechnet mit Wagenknecht ab – zu spät!“*
Wagenknechts Kurs war kein „Irrweg“, sondern von Anfang an kalkuliert: Nationalkonservatismus im linken Gewand. Das BSW? Kein rotes Projekt, sondern ein Trojanisches Pferd, außen rot, innen braun.
Es ist schon ein Schauspiel von antiker Tragweite, das uns Torsten Teichert in seinem offenen Brief an Sahra Wagenknecht bietet: Einst Weggefährte, Mitbegründer des BSW, dann enttäuschter Austreter – und jetzt, da das Kind längst im Brunnen liegt, der große Abrechner. Doch wie so oft in politischen Tragödien täuscht auch hier das Drama über den eigentlichen Kern hinweg: Der Absturz war unvermeidlich. Die Fehler, die Teichert heute anprangert, waren keine zufälligen Fehltritte. Sie sind das logische Ende eines Weges, den Wagenknecht schon vor Jahren eingeschlagen hat.
Teichert klagt über Verrat an linken Werten, über ausländerfeindliche Rhetorik und über einen Führer-Kult innerhalb des Bündnisses Sahra Wagenknecht. Doch was er als „Irrweg“ beschreibt, war von Anfang an das Grundgerüst dieses Projekts. Wagenknecht hat nie etwas verraten – sie war nie wirklich links.
Wagenknecht: Die Linke, die nie links war
Schon in ihrer Zeit bei der LINKEN machte Wagenknecht keinen Hehl daraus, dass sie mit zentralen linken Prinzipien nichts anfangen konnte. Internationale Solidarität? Klassenkampf? Systemkritik? Fehlanzeige. Stattdessen hörte man von ihr Rufe nach „deutschem Gemeinsinn“ und „Patriotismus“. Schon während der Griechenland-Krise sprach sie vom „deutschen Steuerzahler“, der angeblich für die Schulden anderer Nationen blechen müsse. Die Botschaft war klar: Es gibt ein „Wir“ und ein „Die“. Ein deutscher Nationalinteresse-Diskurs, in den Wagenknecht nahtlos eintrat.
Diese Denkweise zieht sich durch ihr gesamtes politisches Wirken. In ihrem Buch „Die Selbstgerechten“ erklärt sie, die Linke habe sich vom „Volk“ entfernt und müsse zurückkehren zu den „normalen Leuten“. Was sie damit meint, wird schnell deutlich: Wagenknecht plädiert für einen Kurs, der sich von Minderheitenrechten und internationaler Solidarität verabschiedet – zugunsten eines nationalen Sozialkonservatismus, der das „eigene Volk“ in den Mittelpunkt stellt. Eine gefährliche Rhetorik, die rechte Bewegungen weltweit begeistert.
Querfront-Romantik und konservative Sehnsucht
Teichert sieht Wagenknechts Hinwendung zum Konservatismus als überraschenden Kurswechsel. Aber das ist eine glatte Fehleinschätzung. Wagenknecht war nie daran interessiert, linke Ideen wie internationale Solidarität oder klassenlose Gesellschaften zu fördern. Ihr Projekt war immer das einer nationalen Rückkehr: zurück zu einer vermeintlich heilen Zeit, in der der Nationalstaat Wohlstand garantierte und die Menschen brav in geordneten Bahnen lebten.
Sie biedert sich bewusst an konservative und sogar rechtspopulistische Kreise an. Dass sie Peter Gauweiler umarmt und sich selbst als „konservativ“ bezeichnet, ist kein Unfall – es ist Strategie. Ihre Partei BSW ist eine Querfront-Fantasie, die linke Begriffe wie „soziale Gerechtigkeit“ instrumentalisiert, um nationalistische Politik zu legitimieren. Der rechte Schulterschluss mit Leuten wie Gauweiler und den erzkonservativen Mittelstandsverbänden ist keine Panne, sondern der eigentliche Kern ihres Projekts.
Teichert empört sich darüber, dass die Partei inzwischen Stimmung gegen Migranten mache. Doch auch hier zeigt sich nur die Konsequenz von Wagenknechts Politik. Wer gegen „Eliten“ wettert und sich über „Identitätspolitik“ aufregt, landet früher oder später bei der Ausländerfeindlichkeit. Wagenknecht hat den Diskurs vorbereitet, der rechte Stimmen salonfähig macht. Und Teichert war lange genug dabei, um das wissen zu müssen.
Kapitalismuskritik ohne Systemkritik
Und dann wäre da noch Wagenknechts vielgepriesene Kapitalismuskritik. Die angeblich linke Antwort auf den entfesselten Neoliberalismus. Doch auch hier zeigt sich: Ihre Kritik ist keine Systemkritik. Wagenknecht will den Kapitalismus nicht überwinden – sie will ihn regulieren. Sie träumt von einer Rückkehr zum keynesianischen Nachkriegskapitalismus, zu einer Zeit, in der der Staat die Wirtschaft lenkte und der Mittelstand blühte.
Dabei ignoriert sie völlig, dass der Kapitalismus heute längst transnational agiert. Nationale Lösungen sind illusorisch. Während die globale Rechte – von Trump bis zu Elon Musk – sich organisiert, glaubt Wagenknecht, man könne dem mit einer „modernen konservativen Partei“ entgegentreten. Sie verkennt völlig die Machtverhältnisse: Der neue Kapitalismus wird von Superreichen wie Musk dominiert, die den Staat nach ihrem Willen formen. Die Antwort darauf kann keine nationale Rückbesinnung sein, sondern nur radikale Demokratie und internationale Solidarität.
Der eigentliche Verrat: Die Spaltung der Linken
Teichert hat in einem Punkt recht: Wagenknechts Politik richtet großen Schaden an der gesellschaftlichen Linken an. Doch der Schaden begann nicht erst mit der Gründung des BSW. Er begann, als Wagenknecht anfing, linke Begriffe wie „Gerechtigkeit“ und „Freiheit“ für eine konservative Agenda zu kapern.
Sie hat den Diskurs innerhalb der Linken vergiftet. Plötzlich waren nicht mehr Konzerne und Kapitalisten die Feinde, sondern die Grünen. Plötzlich war „Wokeness“ das große Problem, und nicht die steigende soziale Ungleichheit. Wagenknecht hat die Linke gespalten, indem sie linke Begriffe in einen rechten Kontext stellte. Und Teichert? Er hat lange mitgemacht, bis er selbst zu den Opfern der autoritären Parteistrukturen wurde, die er jetzt kritisiert.
Ein Führerkult im roten Gewand
Teichert kritisiert den „Führer-Kult“ um Wagenknecht. Aber das ist nur die logische Konsequenz ihrer Politik. Wer eine Bewegung auf eine einzige Person zuschneidet, schafft zwangsläufig autoritäre Strukturen. Wagenknecht hat nie ein Interesse an echter demokratischer Mitbestimmung gehabt. Sie will eine Partei, die ihrem Willen folgt. Eine Frau, eine Richtung, basta.
Dass Teichert Rosa Luxemburg zitiert, wirkt fast tragisch. Luxemburg war das genaue Gegenteil von Wagenknecht: eine unermüdliche Kämpferin für Demokratie, für die Verteidigung Andersdenkender, für internationale Solidarität. Wagenknecht hat diesen Geist verraten – und Teichert musste das erst am eigenen Leib erfahren, bevor er es erkannte.
Was bleibt? Ein Warnsignal
Der Brief von Teichert ist ein Warnsignal – für die Linke in Deutschland und darüber hinaus. Doch die Warnung kommt zu spät. Wagenknecht hat ihren Kurs längst festgelegt. Sie wird nicht zurückrudern. Und die gesellschaftliche Linke muss sich fragen: Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte eine Bewegung, die für Gerechtigkeit, Solidarität und Freiheit stand, von einer solchen Figur gekapert werden?
Die Antwort ist bitter: Die Linke hat ihre Orientierung verloren. Sie hat zugelassen, dass nationale Reflexe und verkürzte Kapitalismuskritik den Diskurs bestimmen. Jetzt steht sie vor den Trümmern.
Das BSW? Kein rotes Projekt, sondern ein Trojanisches Pferd, außen rot, innen braun.
Teichert fordert in seinem Brief eine Rückkehr zu demokratischen, progressiven Werten. Für das BSW ist das eine sinnlose Forderung – die Partei hat solche Werte nie vertreten. Das BSW ist vielmehr ein politisches Trojanisches Pferd: außen rot gestrichen, innen zunehmend braun. Es war nie eine echte Alternative, sondern von Anfang an eine gefährliche Spielart des Populismus mit dem Potenzial, die deutsche politische Landschaft nachhaltig zu destabilisieren.
Statt wie behaubtet, ein Schutzwall gegen den Rechtsextremismus zu sein, fungiert das BSW als Rammbock, der die Tore für diesen öffnet. Diese Strategie des populistischen Opportunismus gleicht einem Spiel mit dem Feuer – es gefährdet nicht nur politische Gegner, sondern die Demokratie selbst.
Der offene Brief von Torsten Teichert zum nachlesen:
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