Diether Dehm – Der Mann, der die rote Fahne zum Handtuch der Querfront machte im Interview mit Compact-TV
- kpeterl
- 25. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
TL;DR: Diether Dehm singt das Deutschlandlied bei Compact-TV, nennt Höcke „linker“ als Baerbock und vernebelt Marx mit Putin-Romantik. Was als Frieden daherkommt, ist Querfront im Lackmantel. Ein Altlinker beim Bückling vor dem völkischen Denken.

Wer in einem Interview mit Compact-TV, dem multimedialen Erweckungsorgan der extremen Rechten, von Frieden schwadroniert und dabei mit nationalromantischem Tremolo die erste Strophe des Deutschlandlieds anstimmt, hat sich nicht verirrt – er ist angekommen. Nicht im Geiste Rosa Luxemburgs, sondern an jenem Stammtisch, an dem das Wort „Volk“ wieder schmeckt wie ein frisch gezapftes Helles.
Diether Dehm, einst als „linkes Urgestein“ gefeiert, gibt sich in dieser grotesken Inszenierung als Antifaschist im Dienst der Anschlussfähigkeit. Ein Marxist mit Völkischem Finish, ein Barde der Bourgeoisie, der im Unternehmerhemd aufläuft und seine Solidarität mit Russlandverstehern und BlackRock-Kritikern verwechselt – nicht aus Versehen, sondern aus Überzeugung.
„Ich glaube, dass im Bundestag Höcke links von Annalena Baerbock sitzen würde“, säuselt Dehm in die Kamera – und vollzieht damit den rhetorischen Spagat vom dialektischen Materialismus zur dialektischen Verwirrung. Diesen Satz muss man nicht interpretieren, man muss ihn archivieren – als Zeugnis des moralischen Offenbarungseids eines Mannes, der glaubt, die Friedenspose sei der neue Klassenkampf.
Er nennt sich selbst „proproletarisch“, erklärt: „Ich bin klassisch marxistisch. [...] Mir ist egal, ob die Oktoberrevolution sozialistisch war, wenn sie antiimperialistisch war, reicht mir das völlig aus.“Mit Verlaub, Herr Dehm: Marxismus ohne Klassenanalyse ist wie ein Gottesdienst ohne Pfarrer – sinnentleert, aber voller Weihrauch.
Es wird grotesk, wenn Dehm Russland als „imperial, aber nicht imperialistisch“ adelt – ein semantisches Hütchenspiel, das eher nach Nebelkerze als nach Analyse klingt. „Imperialismus ist an gewisse Geschäftsmodelle geknüpft“, dozierte der Genosse im Compact-Studio und nennt – natürlich – BlackRock, Rheinmetall, Amazon. Dass Russland auf geopolitischer Expansion, innerer Repression und staatlich orchestriertem Chauvinismus basiert, fällt in seiner „antiimperialistischen“ Optik unter die Kategorie Betriebsblindheit.
. „Wir brauchen in Deutschland das Aufschlagen eines neuen Kapitels mit einer tiefgreifenden Versöhnung“
Doch Dehm will mehr: Er will versöhnen. „Wir brauchen in Deutschland das Aufschlagen eines neuen Kapitels mit einer tiefgreifenden Versöhnung“, verkündet er salbungsvoll – und garniert diese seltsame Doktrin mit einem musikalischen Knicks vor der Nation: „Deshalb habe ich ja hier das Deutschlandlied gesungen.“
Welch perfide Farce: In der Sprache der Rechten – von „unserer Geschichte“, von „Versöhnung“, von „identitärer Einheit“ – serviert Dehm eine ideologische Amnestie für jene, die vom „System“ reden und das Grundgesetz mit Reichsflaggen übermalen.
Dass er im gleichen Atemzug das „dumme Geschwätz“ beklagt, man solle nicht „Sachen auf Butterbrot schmieren, die 100 oder 150 Jahre alt sind“, klingt wie eine Fußnote aus dem Vademecum der Geschichtsrevisionisten – verschämt modernisiert, aber ideologisch fossilisiert. Holocaust, Kolonialismus, Faschismus – alles wohl Schnee von gestern?
Amira Mohamed Ali nennt er „geboostert“ und kritisiert, sie sei „nicht mutig genug“ in Sachen China und Russland. Mut, so lernen wir, besteht für Dehm offenbar darin, bei Compact-TV in Watte gepackte Putin-Propaganda zu rezitieren.
Dass dieser Mann früher in der SPD war, dann in der PDS, später in Die Linke – und von dieser Partei trotz Auftritten auf rechtsoffenen Veranstaltungen bis zu seinem freiwilligen Austritt im Dezember 2024 weder getrennt wurde noch sich selbst trennte – ist keine Anekdote, sondern Symptom. Es ist das Symptom einer Linken, die sich, wie das BSW von Sahra Wagenknecht, ihrer antifaschistischen Tradition entledigt, um sich im Wirtshaus der Querfront an den Stammtisch der Rechten zu setzen.
Wer Dehms Interview zu Ende sieht, erkennt: Hier geht es nicht um Marx oder Frieden. Es geht um das ideologische Rebranding eines Altlinken, der den Klassenkampf gegen die Moderne eintauscht und den Antifaschismus der Bequemlichkeit opfert.
Diether Dehm macht keine Kritik am Westen. Er betreibt eine Karikatur des Marxismus – nationalpopulistisch lackiert, revisionistisch grundiert und von jeglichem emanzipatorischen Anspruch entkernt. Und dabei sieht er auch noch zufrieden aus.
„Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“– Max Horkheimer.
Diether Dehm hat beides perfektioniert: Er redet – aber sagt nichts. Ein Antifaschist, der den Klassenkampf mit Querfront-Charme sediert.
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