Ein Abend für den antisemitischen Stammtischbürger
- kpeterl
- 6. Mai
- 2 Min. Lesezeit
TL;DR: Die JU München lädt Thilo Sarrazin zum „Kaminabend“. Geboten wird Rassismus für den antisemitischen Stammtischbürger – im Wirtshaus, wo das Erinnern endet und der rechte Rand gemütlich wird.

Zur Sarrazin-Veranstaltung der JU München Nord
Am 14. Mai 2025 lädt die Junge Union München Nord – diskret versteht sich, denn Antisemitismus im Schummerlicht ist immer noch salonfähiger – zum „Kaminabend“ mit Thilo Sarrazin. Ort des Geschehens: ein geheimgehaltenes Wirtshaus, das nur Eingeweihten offenbart wird. Nicht weil man etwas zu verbergen hätte, sondern weil man genau weiß, dass man etwas zu verbergen hat.
Sarrazin, einst SPD-Mitglied mit missionarischem Eifer, heute Rentner im Dienst der genetischen Volkskunde, gibt sich wie immer: als biologistischer Aufklärer des Abendlandes, der im Genom nicht nur die Wahrheit, sondern auch die Schuld sucht. Die CSU-Nachwuchstruppe nennt das Dialog, meint aber: monologisch aufbereitete Ressentiments für Kleinbürger mit Abitur.
Die Öffentlichkeit hätte davon nichts erfahren, wäre nicht der Rechtsextremismusforscher Miro Dittrich sowie der ehemalige CDU-Abgeordnete Ruprecht Polenz hellhörig geworden. Die CSU selbst? Hält still. Wie immer, wenn es rechts neben ihr rummort, ohne gleich AfD genannt zu werden.
Was Sarrazin predigt, ist längst bekannt: Rassentheorien im Statistiker-Duktus, das „Juden-Gen“ als anthropologische Tatsache, die Überlegenheit des IQ als ethnisch vererbbar. Dass er sich dabei auf Kevin MacDonald beruft, den amerikanischen Verschwörungspsychologen vom rechten Rand, passt ins Bild – auch MacDonald spricht lieber von Evolution als von Ideologie, wenn er antisemitische Weltbilder unter die Leute bringt.
Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München nennt das Kind beim Namen: keine Debatte, sondern Bühne für den pseudowissenschaftlich gewendeten Rassismus. Sarrazin sei, so das Bündnis, kein Irrläufer, sondern ein ideologischer Lieferant für jene Kreise, die Antisemitismus gern intellektuell verpackt konsumieren – also mit Fußnote und Fußvolk.
Dass die CSU – die sich immer dann christlich nennt, wenn sie das Kreuz im Klassenzimmer aufhängen will – einem Mann Raum bietet, dessen Thesen Goebbels besser verstanden hätte als Jesus, ist keine Überraschung. Lippenbekenntnisse zum Schutz jüdischen Lebens werden da zur Farce, wenn gleichzeitig pseudogenetischer Unfug verbreitet wird – nur halt mit Einladung und Schweinsbraten.
Diese Veranstaltung ist kein Betriebsunfall. Sie ist das Symptom einer politischen Kultur, in der das Gedenken an die Shoa längst hinter dem Gerede von „freien Meinungen“ verschwunden ist. Sarrazins Sätze sind keine Provokation – sie sind Programm, dort, wo man sich über "Umvolkung" nur noch euphemistisch wundert.
München, einst Hauptstadt der Bewegung, heute Sitz der größten jüdischen Gemeinde Deutschlands, hätte Besseres verdient als diesen pseudogenetischen Stammtisch mit Kerzenschein. Aber solange man in der CSU lieber Sarrazin zuhört als antifaschistischen Stimmen, bleibt die Frage nicht, wie so etwas passieren konnte – sondern wann es wieder passiert.
Der Artikel des Linken Bündnis gegen Antisemitismus (LBGA) München: Das Rechtsextremismusproblem der Münchner CSU: Zur Veranstaltung mit Thilo Sarrazin bei der Jungen Union München Nord am 14. Mai 2025
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