Heilige Einfalt: Antisemitismus bekämpft mit Europas Rechtsextremen – das ist wie Brandschutz mit Brandstiftern
- kpeterl
- 15. März
- 3 Min. Lesezeit
TL;DR: Eine Antisemitismuskonferenz mit Bardella, Vox & Co.? Das ist, als würde man einen Brandstifter zum Feuerwehrchef machen. Wer mit Antisemiten Antisemitismus bekämpft, zerstört nicht nur den Kampf – sondern macht sich selbst zur Farce.

Netanjahus Regierung lädt Europas extreme Rechte zur Konferenz gegen Antisemitismus ein. Nein, das ist keine Satire aus einer dystopischen Parallelwelt, sondern die neueste Groteske aus der diplomatischen Werkstatt Netanjahus. Die Konferenz vom 26. bis 27. März wird von Diaspora-Minister Amichai Chikli organisiert, der sich unermüdlich für die Stärkung der Beziehungen Israels zu den rechtsextremen Parteien Europas einsetzt – jenen Parteien, die Israel aufgrund ihrer innigen Verbindungen zu Antisemitismus und Nationalsozialismus einst kategorisch boykottiert hatte. Und so gibt sich eine illustre Truppe von Rechtsaußen-Politikern – Jordan Bardella, Marion Maréchal, Hermann Tertsch, Charlie Weimers – in Jerusalem die Ehre. Nicht etwa, um sich für jahrzehntelange antisemitische Umtriebe zu entschuldigen, sondern um die Bekämpfung von Judenhass zu diskutieren. Dass dieselben Parteien beim Holocaust bis heute zwischen „historischer Leistung“ und „bedauerlichem Detail der Geschichte“ schwanken – wem will man das verdenken?
Nicht dabei ist Deutschlands Antisemitismus-Beauftragter Felix Klein. Der hat – offenbar wider Erwarten der Organisatoren – mitbekommen, wer da alles am Rednerpult stehen wird, und sich empört zurückgezogen. Auch der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy, der sich nicht gerade als Zimperliese einen Namen gemacht hat, sagt kurzerhand ab. Volker Beck, einst grüner Abgeordneter, nun Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, drückt das Unfassbare diplomatisch aus: „Wenn wir uns mit rechtsextremen Kräften verbünden, diskreditieren wir unsere gemeinsame Sache.“
Diskreditieren? Ein Euphemismus. Hier wird nicht irgendeine „gemeinsame Sache“ diskreditiert, sondern der Kampf gegen Antisemitismus als solcher zur Karikatur gemacht. Wer Rassemblement National, Vox und Konsorten zu einer Konferenz gegen Judenhass einlädt, betreibt Geschichtsklitterung der spektakulärsten Sorte. Wer mit Antisemiten paktiert, um Antisemitismus zu bekämpfen, macht sich nicht nur lächerlich – er betreibt aktive Schadensmaximierung.
Doch was steckt dahinter? Politische Naivität ist auszuschließen, dafür agiert die israelische Regierung zu strategisch. Die Kalkulation, so durchsichtig wie hanebüchen: Wer den Islam hasst, kann kein Antisemit sein – wenigstens nicht, solange es opportun ist. Dass dieselben Leute mit leichtem Zungenschlag aus Israel schnell wieder die Juden machen, sobald es ihnen innenpolitisch nützlich erscheint, ist nur eine Randnotiz in diesem absurden Schauspiel.
Bedenken gegen diesen grotesken Schulterschluss sind keineswegs neu. Frankreichs jüdische Gemeinden haben seit jeher eine klare Haltung: keine Allianz mit den Rechten. CRIF, die jüdische Dachorganisation, macht das in Paris glasklar – während in Jerusalem Bardella und Konsorten hofiert werden. Vielleicht, weil manche in Netanjahus Regierung Antisemitismus inzwischen nur noch als das erkennen, was sie bei Shakespeare als „the Jew’s fault“ nachzulesen meinen.
Es ist ein alter Reflex: Die Rechten reden sich ihre Vergangenheit schön, solange es dem momentanen Zweck dient. Dass sie irgendwann, wenn der Wind sich dreht, zu alten Reflexen zurückkehren – wer wollte es ihnen verdenken? Ein Jordan Bardella, ein Viktor Orbán oder ein Santiago Abascal hat mit Antisemitismus nie ein Problem gehabt, das über strategische Imagekorrektur hinausging.
Und nun? Während sich Netanjahu mit diesen Leuten an einen Tisch setzt, um über Antisemitismus zu reden, stehen jene, die den Kampf gegen Judenhass ernst nehmen, fassungslos daneben. Als Höhepunkt dieser Realsatire gibt es dann noch eine Führung durch die Westbank – denn was wäre eine Konferenz gegen Judenhass ohne eine Exkursion in besetzte Gebiete, die das Völkerrecht zur Nebensächlichkeit erklären?
Kurz gesagt: Wenn die falschen Leute das Richtige predigen, wird es dadurch nicht richtiger – nur verlogener. Den Kampf gegen Antisemitismus gewinnt man mit Demokrat*innen – nicht mit denen, die seine Existenz erst erforderlich gemacht haben.
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