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Hoffnung ist keine Strategie – sondern Flucht vor der Analyse

  • kpeterl
  • 22. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 23. Apr.

TL;DR: Die Linke nennt sich Friedenspartei, schweigt zu Russland, verachtet die SPD und verteilt Hoffnung wie Sakramente. Ihr Leitantrag: Pathos statt Plan, Trost statt Theorie. Eine Partei, die Hoffnung spendet, ersetzt die Kirche. Nicht den Kapitalismus.



Eine Polemik über den Leitantrag der Partei die Linke

 

 „Wir sind die Hoffnung!“ (Z. 1) – so beginnt der Leitantrag der Partei Die Linke und klingt dabei wie das Ergebnis eines Rhetorikseminars mit der Zusatzoption Power Posing für Parteileitung. Hoffnung als Parteikonzept – das ist ungefähr so substanziell wie Trockenhefe für die Weltformel. Und so geht es weiter:„Dass jede dritte Frau unter 30 Jahren uns ihre Stimme geben würde – das hätte niemand für möglich gehalten.“ (Z. 8–9)Wunderbar. Ob auch nur eine dieser Stimmen etwas mit den inhaltlichen Linien zu tun hatte, bleibt im Ungefähren. Denn hinter dem Pathos lauert ein analytisches Vakuum – man feiert sich, statt zu begreifen.

 

Klassenanalyse mit Hafermilch

 

Zugegeben: Der Versuch, die Klassenfrage wieder ins Zentrum zu rücken, ist da. „Die Linke versteht sich als moderne sozialistische Partei für die arbeitende Klasse.“ (Z. 196) Man spürt: Da will jemand zurück zu Marx – zumindest bis zur Einleitung des „Kommunistischen Manifests“.„Zu dieser Klasse gehören all jene, die dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen […]“ (Z. 198) – Richtig. Und: „Wir wollen eine Kultur schaffen, die es arbeitenden Menschen ermöglicht, in unserer Partei mitzuwirken.“ (Z. 225)

 

Die Partei denkt Klassenkampf – aber organisiert Frühstück. Aus dem historischen Materialismus wird eine strukturell diverse Mitmachwerkstatt mit solidarischem Catering. Das ist nicht falsch, aber politisch folgenlos. Denn während die Kapitalmacht unbehelligt bleibt, wird das eigene Organizing als Subversionsakt verklärt.

 

Der blinde Fleck heißt Moskau

 

Die größte Abwesenheit des Leitantrags hat einen Namen: Russland. Nicht ein einziges Mal wird Putins Angriffskrieg beim Namen genannt. Stattdessen:„In den USA sehen wir die Rückkehr eines Monopolkapitalismus […] Trump beendet das amerikanische Zeitalter, den Neoliberalismus und die westliche Bündnisarchitektur.“ (Z. 109–111)

 

Russland hingegen? Kein Wort. Weder Butscha noch Mariupol, weder imperiale Gewalt noch innerstaatlicher Terror. Die moralische Verurteilung ist allein auf den Westen fokussiert – als sei Kapitalismus ein exklusiv transatlantisches Phänomen.

 

Wer so einseitig urteilt, macht sich nicht zum Friedensfreund, sondern zum geopolitischen Nützling. Und eine Partei, die zu Bomben schweigt, solange sie nicht von NATO-Staaten stammen, ist nicht pazifistisch – sie ist blind.

 

Pazifismus als Parteihygiene

 

„Die Linke ist und bleibt eine Friedenspartei, insbesondere in Zeiten zunehmender Militarisierung.“ (Z. 343)Klingt nach humanistischem Grundkonsens – wäre da nicht das Problem, dass die Konfliktlagen dieser Welt nicht durch Mediationen und Patchworklösungen zu beseitigen sind.„Wir wollen es in Zukunft besser schaffen, mit unseren Vorschlägen für diplomatische und andere nicht-militärische Mittel, um Kriege zu beenden, durchzudringen.“ (Z. 347)

 

Der Satz sagt viel – über die Hoffnung auf Gespräch, aber nichts über die realen Akteure. Wer führt die Kriege? Wer profitiert? Wo liegt strukturelle Gewalt? Fehlanzeige. Der Antimilitarismus der Linken gleicht einem Seifenkistenrennen gegen Kampfpanzer.

 

Europa – eine vergessene Front

 

Statt wirksame und schärfere Maßnahmen gegen die Zerstörung des Klimas zu ergreifen, wird die deutsche Regierung immer öfter zur Bremserin in Europa.“ (Z. 34)

Das ist korrekt – aber zu wenig. Denn Europa ist nicht nur Bremserin, sondern auch Aufrüsterin, Externalisiererin, Festungspolitikerin. Die Linke unterschlägt, dass der EU-Haushalt zunehmend militarisiert wird, dass Frontex Menschen jagt, dass der Green Deal mehr Konzernstrategie als Umweltpolitik ist.

 

Ein linker Internationalismus ohne klare EU-Strategie ist wie eine Analyse ohne Subjekt. Wer Europa nur als Möglichkeitsraum, nicht aber als Kampfplatz denkt, verabschiedet sich aus der Realität.

 

Alte Feinde, neue Feigheiten – die SPD als Ritualopfer

 

„Von SPD und Grünen wird kein Widerstand erfolgen. Von einer SPD in der Regierungskoalition schon gar nicht.“ (Z. 36–37)Ein Satz wie ein Reflex. Die Sozialdemokratie bleibt der Lieblingsfeind – auch wenn sie seit Jahrzehnten bloß noch der verwaschene Schatten ihrer selbst ist. Dass sie mitverantwortlich war für Hartz IV, Kosovo, Mietexplosionen – geschenkt. Aber dass man sie als Hauptfeind behandelt, während CDU, AfD und Kapital fröhlich marschieren, ist strategischer Selbstmord.

 

Was fehlt, ist eine dialektische Einschätzung: Wo lässt sich etwas bewegen? Wo nicht? Stattdessen bekommt man Thälmann in Genderneutral: lieber allein im Recht als gemeinsam in der Koalition gegen den Abgrund.

 

Müsli für Marx – die Utopie der Frühstückssozialisten

 

„Unsere Utopie heißt Gemeinschaft.“ (Z. 409)Der schönste Satz des Antrags – und sein größter Bankrott. Denn er ersetzt das Politische durch das Sozialpädagogische. Wenn es dann heißt:„Wir organisieren Fußballturniere oder ein kostenloses Frühstück.“ (Z. 263),dann weiß man: Die Linke hat sich entschieden – gegen Theorie, gegen Konflikt, gegen Machtausübung.

 

Das ist nicht falsch. Es ist irrelevant. Wer die Produktionsverhältnisse nicht angreift, wird die Eigentumsfrage nie stellen. Und wer lieber „Miteinander“ organisiert als Verhältnisse verändert, sollte sich fragen, ob er noch Partei oder schon Sozialstation ist.

 

Der Antrag ist weich, aber nicht wehrhaft

 

Der Leitantrag „Wir sind die Hoffnung“ ist ein Text mit Pathos, aber ohne Plan. Er beschreibt eine Linke, die wieder an sich glaubt – aber nicht weiß, woran sie glauben soll. Er kennt Gegner, aber keine Strategien. Er kennt Worte, aber nicht deren Schärfe.

 

„Wir wollen unsere Partei zu einer kraftvollen sozialistischen Mitgliederpartei für das 21. Jahrhundert weiterentwickeln.“ (Z. 57)

Das ist ein schönes Ziel. Nur braucht es dazu nicht Hoffnung – sondern eine Analyse, die diesen Namen verdient. Und eine Sprache, die Klartext spricht. Gegen den Krieg. Gegen den Kapitalismus. Gegen die eigene rhetorische Bequemlichkeit.

 

Oder wie man im alten Konkret-Stil sagen würde:Eine Partei, die vor allem Hoffnung spendet, ersetzt die Kirche. Nicht das Kapital.



 
 
 

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