top of page

„Ich bin aus Anstand Antifaschistin geworden“ – Marlene Dietrich

kpeterl

TL;DR: Anstand heißt handeln, nicht schweigen. Marlene Dietrichs klarer „Nein“ zum Faschismus erinnert uns: Widerstand ist unbequem, aber notwendig. In Zeiten, in denen die AfD marschiert und Antisemitismus wächst, brauchen wir ihren Mut – laut sein, aus Anstand!



Es gibt Begriffe, die so belastet sind, dass sie nicht mehr unbefangen benutzt werden können. „Anstand“ ist ein solcher Begriff. Heinrich Himmler nannte in seiner Rede vor SS-Offizieren am 4. Oktober 1943 diejenigen „anständig“, die den Anblick der von ihnen selbst produzierten Leichenberge aushalten konnten. Als „gutes Land mit überwiegend netten, anständigen Leuten“ hat sich auch das nationalsozialistische Deutschland gesehen – eine Gesellschaft, die auf einem moralischen Fundament von „Anstand“ die Vernichtung derer betrieb, die aus ihrer geschlossenen Gemeinschaft herausdefiniert wurden. Das Grauen potenzierte sich noch dadurch, dass die meisten Mörder im Privatleben ganz normale, umgängliche Leute waren. Gemütlich, tierlieb, spießig – „anständig“.


Doch Marlene Dietrich hat gezeigt, dass „Anstand“ auch anders verstanden werden kann: nicht als Chiffre für Gleichgültigkeit oder stillschweigende Anpassung, sondern als Synonym für Menschlichkeit, für Recht und für menschliche Würde. Ihr „Nein“ zum Faschismus war kein Lippenbekenntnis, sondern ein moralischer Akt, der auf aktiver Verantwortung beruhte. Sie hat dem Begriff Anstand seine ursprüngliche Bedeutung zurückgegeben – unbequem, konsequent, mutig.


Heute, in einer Zeit, in der rechte Hetze die Parlamente erreicht, Antisemitismus wieder salonfähig wird und die Gesellschaft oft in bequemer Neutralität verharrt, erinnert uns Dietrich daran, was Anstand wirklich bedeutet: handeln. Laut, klar und ohne Kompromisse.

 

Dietrichs Kampf gegen den Faschismus: Ein Leben für Prinzipien


1937, inmitten der Verlockungen des NS-Regimes, lehnte Marlene Dietrich ein Angebot von Adolf Hitler und Joseph Goebbels ab, nach Deutschland zurückzukehren und als Aushängeschild für den Nationalsozialismus zu fungieren. Stattdessen beantragte sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Doch ihr Widerstand ging weit über dieses „Nein“ hinaus.


Während ihrer Zeit in Paris öffnete sie ihre Suite im Hotel George V für geflohene jüdische Künstlerinnen und Intellektuelle aus Deutschland. „Hier bekamen sie etwas zu essen, hier bekamen sie Geld, hier bekamen sie Arbeit, wenn es welche gab“, erinnerte sich ihre Tochter Maria später. Dietrich unterstützte Fluchthelfer*innen, half Emigrant*innen und trat als eine der ersten prominenten Deutschen offen gegen das NS-Regime auf.


Als ihr Geliebter Jean Gabin sich der französischen Befreiungsarmee anschloss, wollte auch sie kämpfen. Sie tourte durch die USA, um für Kriegsanleihen zu werben – Geld für Bomben, die auch ihre Heimatstadt Berlin trafen. „Ich versuche nicht darüber nachzudenken, denn wenn ich das täte, könnte ich nicht mehr weitermachen“, sagte sie später.


Ihr Engagement war nicht nur symbolisch: Für den US-Geheimdienst OSS arbeitete sie in der Propaganda-Abteilung. Mit Liedern und Radiosendungen appellierte sie direkt an deutsche Soldaten, den verbrecherischen Krieg zu beenden. Für diesen Einsatz wurde sie 1947 mit der Medal of Freedom geehrt – eine Anerkennung ihres Mutes, die sie in Deutschland oft vermisste.

 

Antisemitismus: Damals und heute


Dietrichs Haltung gegen Antisemitismus war kompromisslos. Sie trat in den 1960er Jahren in Israel auf, trotz Anfeindungen, die ihr in Deutschland widerfuhren. Sie zeigte Solidarität, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten.


Heute erleben wir eine Renaissance des Antisemitismus. Seit dem 7. Oktober 2024 ist die Zahl antisemitischer Übergriffe in Deutschland sprunghaft angestiegen. Antizionistische Diskurse dienen oft als Deckmantel für Judenhass, während viele in der Mitte der Gesellschaft schweigen. Dietrichs Leben lehrt uns, dass Solidarität kein Lippenbekenntnis sein darf – sie muss aktiv und sichtbar sein.

 

Magdeburg als Brennglas: Was Dietrich uns heute lehren könnte


Magdeburg, Dezember 2024. Ein weiteres Beispiel dafür, wie rechte Hetze und staatliches Versagen Hand in Hand gehen. Während die AfD weiter marschiert und Hass schürt, versagen Institutionen dabei, ihre Netzwerke aufzudecken oder rechtzeitig zu handeln.


Dietrich hätte die AfD nicht ignoriert. Sie hätte nicht gewartet, bis jemand anderes Verantwortung übernimmt. Ihr Antifaschismus war aktiv, unbequem und konsequent. Sie wusste: Faschismus duldet keinen Kompromiss.

 

 

Das Vermächtnis von Marlene Dietrich: Was heute noch zählt


Dietrichs Haltung zeigt, dass Widerstand nicht passiv sein darf. Ihre Weigerung, den Faschismus zu akzeptieren, ihre Solidarität mit Verfolgten und ihr Engagement für Demokratie und Menschenrechte sind heute aktueller denn je.

Wir können von ihr lernen – und von Bewegungen wie „Omas gegen Rechts“, die mit Mut und Zivilcourage zeigen, dass „Anstand“ nicht bedeutet, stillzuhalten. Es bedeutet, laut zu sein, aktiv zu werden und klare Linien zu ziehen.

 

„Und wo seid ihr jetzt?


Marlene Dietrich fragte einst sinngemäß: „Wo seid ihr, wenn der Faschismus marschiert?“ Diese Frage bleibt bestehen. Während die Demokratie wankt und ihre Verteidiger*innen schweigen, müssen wir handeln – aus Anstand, nicht aus Kalkül.

Dietrichs Leben erinnert uns daran, dass Widerstand niemals bequem, aber immer notwendig ist. Ihre Stimme hallt bis heute nach: „Manchmal ist das Einzige, was bleibt, laut zu sein – aus Anstand.“


 
 
 

Commenti


bottom of page