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JD Vance: Der Vizepräsident, der den großen Bruch inszenierte

kpeterl

TL:DR: JD Vance & Trump demütigen Selenskyj im Oval Office: Gaslighting, Opferbeschuldigung & Druck. Die Ukraine wird fallen gelassen – ein Geschenk an Putin. Wer glaubt, Amerika verteidige noch Demokratie, sollte sich das Spektakel ansehen.



 „Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Sein Gesicht ist der Vergangenheit zugewandt. Wo eine Kette von Begebenheiten erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe, die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert.“— Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte


 

JD Vance, ein Mann von Trumps Gnaden, sollte bloß das tun, was Vizepräsidenten traditionell tun: Warten, bis der Präsident stirbt. Doch statt in der zweiten Reihe bescheiden auf seine Chance zu lauern, inszenierte er sich am Freitag im Oval Office als Trumps Scharfrichter – eine Mischung aus Bulldozer und Tech-Bro-Iago. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Moment, in dem er mit süffisantem Spott und aggressiver Unverschämtheit auf Wolodymyr Selenskyj losging, der war, in dem das transatlantische Bündnis endgültig auseinanderbrach.


Die Kulisse: das Weiße Haus. Die Szenerie: eine Inszenierung. 

Die Kulisse: das Weiße Haus. Die Szenerie: eine Inszenierung. Trump und Vance hatten den ukrainischen Präsidenten in ein Tribunal gelockt, in dem nicht der Aggressor Russland zur Verantwortung gezogen wurde, sondern das Opfer des Krieges. Vance war der Erste, der sich ins Oval Office drängelte, gierig auf die große Bühne. Und er begann das Schauspiel mit einer Eröffnung, die an Zynismus kaum zu übertreffen war: Selenskyj, so Vance, ziehe „Propagandatouren“ durch die USA, um den Amerikanern die Zerstörung seiner Heimat vor Augen zu führen – als gäbe es da etwas zu inszenieren, das nicht ohnehin real wäre.

 

„Ich finde es respektlos, ins Oval Office zu kommen und dies vor den amerikanischen Medien zu verhandeln“, keifte Vance und ließ keinen Zweifel daran, dass in der neuen Weltordnung, die er und sein Chef anstrebten, derjenige, dessen Land in Schutt und Asche liegt, den Mund zu halten hat.


Selenskyj, der es gewohnt ist, mit Kriegsverbrechern zu verhandeln, ließ sich nicht provozieren 

Selenskyj, der es gewohnt ist, mit Kriegsverbrechern zu verhandeln, ließ sich nicht provozieren. „Während des Krieges hat jeder Probleme“, sagte er und fügte hinzu, fast beiläufig: „Aber Sie haben ein schönes Meer und spüren es jetzt nicht. Doch Sie werden es in Zukunft spüren.“

 

Trump, der aus kryptischen Andeutungen ungefähr so viel Freude zieht wie ein Kind aus Brokkoli, explodierte. „Das wissen Sie nicht! Sagen Sie uns nicht, was wir fühlen werden!“ Dass hier ein europäischer Präsident es wagte, den Amerikanern Lektionen zu erteilen, schien ihm unerträglich.

 

Der Rest, wie Trump später triumphierend verkündete, war „großartiges Fernsehen“. Für die Ukraine bedeutete es nichts Geringeres als eine diplomatische Hinrichtung in Echtzeit.

 

Vance, der außenpolitische Emporkömmling, dem es weniger um Strategie als um Spektakel geht, hatte seinen Moment. Schon in München hatte er sich als Ankläger Europas inszeniert, wo er den dortigen Regierungschefs den Vorwurf machte, sie hätten keine „echte“ Meinungsfreiheit – weil sie es wagten, sich gegen Faschisten in ihren eigenen Ländern zu wehren. Seine Botschaft: Wer sich seinen rechtspopulistischen Bewegungen widersetzt, hat den Schutz Amerikas verwirkt.


eine strategisch platzierte Botschaft an Putin: Seht her, wir sind nicht mehr eure Gegner.

 

Am Freitag durfte er diese Attitüde auf Selenskyj anwenden. Und es war nicht nur eine Demütigung des ukrainischen Präsidenten, sondern eine strategisch platzierte Botschaft an Putin: Seht her, wir sind nicht mehr eure Gegner.

 

Noch bevor Selenskyj den Raum verlassen hatte, ließ das Weiße Haus durchsickern, man erwäge, die gesamte Militärhilfe für die Ukraine einzustellen – Munition, Fahrzeuge, Raketen, all das, was längst verpackt auf den Versand wartete, sollte nun vielleicht nicht mehr verschickt werden. Und um zu bekräftigen, dass diese Entscheidung keinesfalls mit einer internen Meinungsverschiedenheit zu tun hatte, sondern eine bewusste Richtungsänderung war, wiederholten Trumps Getreue ihre Sätze, als hätten sie alle am selben Teleprompter geübt.

 

Lindsey Graham, noch vor wenigen Stunden freundlich mit Selenskyj posierend, twitterte: „Amerika wurde nicht respektiert, der Deal ist geplatzt. Ich war noch nie so stolz auf Präsident Trump und Vizepräsident Vance, dass sie für America First eingetreten sind.“

 

Marco Rubio, neuerdings Außenminister und ehemals einer der lautesten Unterstützer der Ukraine, sekundierte: „Danke, @POTUS, dass Sie sich für Amerika einsetzen, wie es noch kein Präsident zuvor gewagt hat.“

 

Und Keith Kellogg, Trumps Mann für die Ukraine, bestätigte mit geradezu rührender Selbstaufgabe: „Es war mir eine Ehre, heute im Oval Office zu sein. Wie der Präsident es IMMER getan hat, stand er für Amerika … America First.“

 

Das Drehbuch war geschrieben, die Rollen verteilt.

Das Drehbuch war geschrieben, die Rollen verteilt. Doch während sich Trump, Vance und ihre Applaudierer am Schauspiel berauschten, blieben zwei Fragen offen: War dies nur ein weiterer von Trumps Wutausbrüchen, oder eine wohlkalkulierte Eskalation? Und vor allem: Wer ist verachtenswerter? Die Architekten dieser Inszenierung oder jene, die einfach mitspielten?

 

Ein Bild aus dem Oval Office gibt eine Antwort. Es zeigt Rubio und Vance, nebeneinander sitzend, während Trump Selenskyj attackiert. Rubio, der Mann, der einst von „unerschütterlicher Unterstützung für die Ukraine“ sprach, sieht bedrückt aus, faltet die Hände, senkt den Blick. Und Vance? Der strahlt. Er hat endlich den Kampf, den er führen wollte.

 

Doch war es ein Kampf für Amerika? Oder nur für eine neue, groteske politische Ordnung, in der die USA nicht mehr die Demokratie verteidigen, sondern denen in den Rücken fallen, die sie am dringendsten brauchen?

 

Der Engel der Geschichte muss so aussehen: hilflos im Sturm der Ereignisse, während sich hinter ihm die Trümmer türmen – diesmal orchestriert von einem Vizepräsidenten mit einem Grinsen im Gesicht.


Ich kann nur jeden empfehlen, sich einmal die ganzen 50 Minuten anzuschauen. Zum Beispiel unkommentiert bei Forbes auf Youtube.

 

 


 
 
 

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