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KI als Gedankenpolizei

kpeterl

TL;DR: Washington entdeckt die KI als Gedankenpolizei: Wer in den USA studieren will, sollte besser keine falschen Meinungen haben. Menschenrechtsaktivist*innen schlagen Alarm, nachdem bekannt wurde, dass das US-Außenministerium künftig mit Algorithmen Visa widerruft – für Studierende, die es als Hamas-Sympathisanten deklariert. Ein falscher Like, ein algorithmisches Missverständnis – und schon heißt es: Koffer packen.


Marco Rubio
Marco Rubio

Man stelle sich vor, Kafka hätte sich mit Orwell zum Brainstorming getroffen, um ein dystopisches Szenario für das 21. Jahrhundert zu entwerfen. Herausgekommen wäre vermutlich etwas wie die neueste Idee des US-Außenministeriums: eine KI-gesteuerte Überwachungsmaschinerie, die über Leben und Karriere ausländischer Studierender richtet – nicht etwa auf Basis von Straftaten oder Spionageverdacht, sondern anhand von Meinungen.

 

Denn was sich unter dem Titel „Catch and Revoke“ verbirgt, ist nichts weniger als eine Generalüberwachung zehntausender Ausländischer Studierender, deren Social-Media-Konten algorithmisch durchforstet werden – auf der Jagd nach unbotmäßigen Äußerungen. Wer sich auch nur in der Nähe von „pro-Hamas“-Parolen bewegt oder es versäumt, sich ausreichend proisraelisch zu positionieren, dem droht der Visumentzug. Es reicht ein unbedachter Post, ein missverständlicher Retweet, ein algorithmisch fehlinterpretierter Kommentar – und das Studium in den USA endet abrupt, mit einer charmanten Aufforderung zur Ausreise.

 

Gesinnungstest per Algorithmus

 

Natürlich, so wird es beschwichtigt, geht es um „nationale Sicherheit“. Wer Sympathien für Terrororganisationen hegt, habe auf amerikanischem Boden nichts verloren. Aber dass die Definition von „Sympathie“ nun von einer KI übernommen wird – einer Technologie, die bereits nachweislich mit Bias-Problemen kämpft und sich nur allzu gern von der politischen Großwetterlage beeinflussen lässt –, ist nur eine Fußnote für die Befürworter dieser Orwell'schen Fortschrittsidee.

 

Und die Logik? Erstaunlich simpel: Wer sich kritisch zu Israels Politik äußert oder gar – Gott bewahre – an einer pro-palästinensischen Demonstration teilnimmt, könnte ja womöglich terroristische Tendenzen hegen. Diese Art der Kausalität dürfte man zuletzt in den Hochzeiten des McCarthyismus bewundert haben, als die Zugehörigkeit zu linken Organisationen bereits als Verratsindiz genügte.

 

Das große Schweigen


Das Ziel ist so offensichtlich wie perfide: Kritische Stimmen sollen verstummen, ausländische Studierende sollen sich hüten, bei kontroversen Themen auch nur die falsche Emotion zu zeigen – oder schlimmer noch: ein Recht auf Meinungsfreiheit zu reklamieren. Und genau hier offenbart sich die bittere Ironie des Projekts.

 

Denn wenn sich das „Land of the Free“ neuerdings damit brüstet, mit technologischen Mitteln unliebsame Meinungen aus dem akademischen Diskurs zu eliminieren, dann ist das nicht nur eine Bankrotterklärung der liberalen Demokratie, sondern auch eine unfreiwillige Hommage an jene autoritären Regime, gegen die die USA so gern in Stellung gehen.


Und da sage noch einer, KI sei nicht lernfähig.

 

 
 
 

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