TL;DR: Die Kolumne kritisiert die selektive Solidarität vieler linker Strömungen, die islamistischen Gruppen wie die Hamas oft als legitime „Widerstandsbewegungen“ gegen imperialistische Kräfte unterstützen, während sie deren antisemitische Gewalt und repressive Ideologien verharmlosen. Diese Allianz, bekannt als „Islam-Linke“, führt dazu, dass grundlegende linke Werte wie Meinungsfreiheit und Säkularismus geopfert werden. Die Reaktionen auf den Hamas-Angriff auf Israel im Oktober 2023 verdeutlichen, dass die Linke zunehmend zwischen universellen Menschenrechten und antiimperialistischen Narrativen gefangen ist. Der Text fordert eine „hellsichtige Linke“, die sich klar gegen jede Form von Gewalt und Fundamentalismus positioniert und universelle Solidarität bewahrt.
Die Linke versteht sich traditionell als Anwältin der Unterdrückten, der Entrechteten und derjenigen, die vom globalen Machtspiel der Starken ins Abseits gedrängt werden. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich ein Widerspruch in die Reihen der linken Bewegung eingeschlichen, eine Allianz, die Fragen aufwirft – die Allianz mit islamistischen Gruppen. Was einst eine klare, universelle Solidarität für Menschenrechte und Freiheit war, wurde durch die komplexen Konflikte und Widersprüche des Nahen Ostens herausgefordert und letztlich verwässert. Dieser innere Konflikt ist besonders im Umgang mit dem Islamismus und der Feindseligkeit gegenüber Israel sichtbar. Ein aktueller Höhepunkt dieser Krise ist die ambivalente oder gar apathische Reaktion vieler linker Akteure auf den Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Dieser Angriff, bei dem über 1.200 Israelis getötet und 200 Geiseln entführt wurden, hätte eine klare moralische Verurteilung verlangt. Doch die Reaktionen vieler linker Strömungen waren anders: selektiv, relativierend, manchmal gar unterstützend für die Täter.
Die Entstehung der „Islam-Linken“: Eine Allianz der Widersprüche
Der Begriff „Islam-Linke“, oder auf Französisch Islamo-Gauchisme, entstand nicht etwa als Diffamierung durch rechte Kräfte. Vielmehr wurde er von Pierre-André Taguieff geprägt, einem Akademiker, der die zunehmend sichtbare Allianz zwischen linken Aktivisten und islamistischen Fundamentalisten in den frühen 2000er Jahren analysierte. Während der zweiten Intifada sah man erstmals, wie Teile der europäischen Linken gemeinsam mit islamistischen Gruppen gegen Israel protestierten. Doch es ging nicht nur um Kritik an der israelischen Politik; in den Reihen dieser Allianzen wurde antisemitische Hetze toleriert und verbreitet. Die UN-Konferenz in Durban im Jahr 2001 zeigte das Ausmaß dieser Verbrüderung, als linke Aktivisten und Islamisten gemeinsam antisemitische Flugblätter verteilten. In dieser Konstellation wurde ein antiimperialistisches Narrativ aufgebaut, das Israels Existenzrecht infrage stellte und der Islamismus toleriert wurde, solange er ein gemeinsames Feindbild, den „zionistischen Staat“, angriff.
Diese historische Allianz basiert auf einer problematischen Gemeinsamkeit: der Ablehnung des Westens und Israels. Doch was bedeutet es, wenn sich eine Bewegung, die ursprünglich für universelle Rechte und die Emanzipation der Unterdrückten eintritt, mit Kräften verbündet, die Frauenrechte, Säkularismus und Meinungsfreiheit verachten? Diese Frage wird von linken Strömungen oft mit Schweigen oder dem Vorwurf der „Islamophobie“ beantwortet, sobald Kritik laut wird.
Die Krise der „Islam-Linken“ und die selektive Solidarität
In Deutschland sind es Gruppen wie Sozialismus von Unten, Marx 21, Sozialistische Alternative (SAV) und die Sozialistische Organisation Solidarität (Sol), die diese ambivalente Haltung verkörpern. Sie sehen sich als Kämpfer gegen imperialistische Kräfte und stellen sich auf die Seite der „Widerstandsbewegungen“ im Nahen Osten, ungeachtet deren ideologischer Fundamente. Oft wird Israel als imperialistischer „Aggressor“ dargestellt, während palästinensische Gruppen, einschließlich der Hamas, in der Rolle des legitimen Widerstands stilisiert werden.
„Der Widerstand der Palästinenser gegen die israelische Besatzung ist gerechtfertigt. Wir unterstützen alle Formen des Widerstands gegen den Zionismus, der in dieser Region imperialistische Interessen durchsetzt.“ – Marx 21
Solche Aussagen blenden die brutale Realität islamistischer Ideologien aus und konzentrieren sich ausschließlich auf die „antiimperialistische“ Dimension des Konflikts. Eine Verurteilung der Hamas-Angriffe oder Solidaritätsbekundungen mit israelischen Opfern sucht man vergeblich. Stattdessen entsteht eine selektive Solidarität, die palästinensischen Gruppen ihre Gewalttaten verzeiht, solange sie sich gegen Israel richten. Diese Haltung steht jedoch im krassen Widerspruch zu universalen Menschenrechtsstandards, die sich die Linke eigentlich auf die Fahnen geschrieben hat.
Die Doppelmoral in der Verteidigung von Meinungsfreiheit und Frauenrechten
Noch problematischer wird es, wenn diese Allianz dazu führt, dass linke Gruppen grundlegende Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit aufgeben. Die sogenannte „Islam-Linke“ ist dafür bekannt, Kritiker des Islamismus als „islamophob“ oder „rassistisch“ zu bezeichnen und damit jede Debatte über die regressiven Werte des Fundamentalismus zu unterdrücken. Dies ist ein Widerspruch sondergleichen: Einerseits wird die Meinungsfreiheit hochgehalten, andererseits werden Stimmen innerhalb der Linken, die auf die Probleme islamistischer Ideologien hinweisen, mundtot gemacht.
„In Europa erleben wir eine zunehmende Islamophobie, die oft als Kritik am Islamismus getarnt ist. Wir stellen uns klar gegen jede Form dieser rassistischen Hetze.“ – Sol
Solche Aussagen offenbaren die Gefahr, dass die Linke durch ihre ständige Furcht vor „Islamophobie“ in eine Form der Selbstzensur gedrängt wird. Dies führt dazu, dass Diskussionen über universelle Werte wie die Gleichberechtigung von Frauen und die Trennung von Religion und Staat als rassistisch verunglimpft werden, was letztlich die Linke ihrer ideologischen Fundamente beraubt.
Der Angriff auf Israel und die unzureichende Antwort der Linken
Die Reaktionen linker Gruppen auf den Angriff der Hamas im Oktober 2023 zeigen die moralische Krise der „Islam-Linken“ in voller Härte. Statt sich klar an die Seite der zivilen Opfer zu stellen, gaben viele Linke pro-palästinensische Statements ab, die die Terrorakte der Hamas rechtfertigten oder zumindest relativierten. Die antiimperialistische Brille, durch die Israel als koloniale Macht betrachtet wird, vernebelt die Sicht auf das Leiden der tatsächlichen Opfer.
„Die Ereignisse vom 7. Oktober zeigen erneut die Brutalität des zionistischen Staates Israel. Der palästinensische Widerstand ist eine notwendige Antwort auf die jahrelange Unterdrückung durch das israelische Militär.“ – Sozialismus von Unten
Solche Zitate verdeutlichen die selektive Wahrnehmung der Gewalt und zeigen, wie die „Islam-Linke“ eine moralische Distanz zu den Opfern des Angriffs schafft. Während die islamistischen Angriffe verharmlost oder gerechtfertigt werden, bleibt Israel allein im Dunkeln der globalen Solidarität stehen – ein Verrat an den universellen Idealen der Linken.
Die moralische Krise der „Islam-Linken“ und die Notwendigkeit einer kritischen Reflexion
Die Linke steht an einem Scheideweg. Die Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit und universellen Menschenrechten werden durch eine Allianz gefährdet, die aus pragmatischem Antiimperialismus entstanden ist, jedoch heute zu einer moralischen Krise geführt hat. Während ein universeller Antirassismus die Verurteilung von Antisemitismus und islamistischem Extremismus gleichermaßen verlangen würde, entscheidet sich die „Islam-Linke“ oft für eine einseitige Solidarität, die bestimmte Opfer ignoriert oder gar rechtfertigt. Dies stellt die Frage: Ist eine Linke, die vor regressiven Kräften kapituliert, überhaupt noch als emanzipatorische Bewegung zu verstehen?
Die Linke muss die Herausforderung annehmen, ihre Positionen kritisch zu reflektieren und Differenzierung zuzulassen, ohne sich dem Vorwurf der „Islamophobie“ zu beugen. Nur so kann sie ihrer historischen Rolle als Verteidigerin der universellen Menschenrechte gerecht werden. Eine „hellsichtige Linke“ muss in der Lage sein, regressive Ideologien zu benennen und sich klar gegen jede Form der Gewalt und des Terrors zu stellen – sei es in Gaza, Tel Aviv oder Berlin.
Denn nur eine Linke, die ihre Prinzipien und Ideale konsequent verteidigt, kann das moralische Fundament schaffen, das sie für den Kampf gegen die wirklichen Feinde der Freiheit und Gerechtigkeit benötigt.
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