TL;DR: Netanjahu paktiert mit Europas Rechten: Antisemiten werden hofiert, solange sie Israels Kriege abnicken. Die AfD schwenkt die Israel-Fahne und bleibt doch dieselbe braune Brühe. Netanjahus Deal: Wer den Islam hasst, darf den Holocaust relativieren. Moral? Fehlanzeige.

Israel, das Land, das einst als moralischer Leuchtturm der Welt galt, wird heute von einer Regierung repräsentiert, die sich von denen bejubeln lässt, die noch gestern von der „jüdischen Weltverschwörung“ faselten. „Nie wieder“, hieß es einmal. Heute heißt es: „Kommt drauf an, wer es sagt.“ Die Regierung Netanjahu, ein Kader aus nationalistischen Irrläufern, siedlungstrunkenen Rechtsfanatikern und bibelgläubigen Rassisten, hat eine einfache Regel verinnerlicht: Wer Netanjahus Israel unterstützt – selbst wenn er jüdisches Leben in Europa lieber in der Frachtabteilung eines Auswanderungsschiffs als auf der Straße sieht –, der ist ein Verbündeter. Wer sich hingegen anmaßt, völkerrechtswidrige Siedlungen oder Kriegsverbrechen zu kritisieren, ist ein Feind, ein Antisemit, ein potenzieller Kollaborateur des Terrors.
Antisemitismus? Kein Problem, solange er exportiert wird
Die neue Lieblingsstrategie Netanjahus: Man nehme ein paar Faschisten, wische ihnen die Hakenkreuz-Aufkleber vom Revers, lasse sie feierlich in der Knesset von der „westlichen Zivilisation“ sprechen, die sich gegen „die Barbaren“ wehren müsse – und schon sind sie rein gewaschen. Frankreichs Rassemblement National, Spaniens Vox, die AfD – alle reaktionären Terrorsympathisanten, die einst nur davon träumten, Europa „judenfrei“ zu machen, entdecken plötzlich ihre Liebe zu Israel. Dass diese Liebe von Netanjahu und seinem Likud erwidert wird, ist der eigentliche Skandal.
Es ist eine dieser geschichtsironischen Kabarettnummern, dass eine israelische Regierung, die sich gerne als Schutzmacht der jüdischen Welt präsentiert, heute mit jenen paktiert, die noch immer in antisemitischen Denkmustern gefangen sind – so lange sie die richtigen Feinde benennen. Viktor Orban durfte in Ungarn eine Wahlkampagne führen, in der George Soros als Kopf einer jüdischen Weltverschwörung dargestellt wurde – wenige Monate später empfing Netanjahu ihn mit staatsmännischer Würde in Jerusalem. Orwell hätte seine helle Freude daran gehabt: „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.“ In diesem Fall: Wer die Vergangenheit ignoriert, kann mit ihren Erben Geschäfte machen.
Der Feind meines Feindes ist mein Geschäftspartner
Die ideologische Schnittmenge ist offensichtlich: ein gemeinsamer Hass auf Muslime und eine geteilte Vision eines Europas ohne Multikulti, das „wehrhaft“ ist gegen „fremde Elemente“. Dass die Partner dabei gelegentlich in den alten Reflex des Antisemitismus zurückfallen – geschenkt. Netanjahu, ein Mann, der in moralischen Fragen weniger Rückgrat besitzt als eine Qualle, hat seine Strategie auf eine bestechend simple Formel gebracht: Wer heute „Wir lieben Israel!“ ruft, darf gestern noch „Juden raus!“ gefordert haben – solange er es nicht zu laut tut.
Und sie funktioniert. Dank Orbans Unterstützung konnte Netanjahus Regierung verhindern, dass die EU Sanktionen gegen die Siedlungspolitik beschließt. Während Scholz in Berlin betreten auf seine Schuhe starrt, wenn die AfD mal wieder vom „christlich-jüdischen Erbe Europas“ schwadroniert, öffnet Netanjahu diesen Leuten seine Türen. Was in den 90ern noch ein Skandal war – die Weigerung, mit der FPÖ auch nur zu sprechen –, ist heute gelebte Realpolitik.
Antisemiten mit koscherem Stempel
Die Rechnung ist einfach: Indem sich die europäische Rechte als pro-israelisch inszeniert, hofft sie, sich von ihrem antisemitischen Erbe reinzuwaschen. „Wir lieben Israel, aber hassen Juden“, ist der unausgesprochene Deal. So lange die AfD die israelische Fahne schwenkt und Gauland von der „Verteidigung des Westens“ in Tel Aviv schwadroniert, darf sie ungestört von ihrer braunen Vergangenheit sprechen. Die Schwedendemokraten? Gegründet von Nazis, aber heute Freunde Israels. Vox? Fasziniert von Franco, aber pro-Zionismus. Es geht nicht um eine Läuterung der Rechten, sondern um einen PR-Stunt: Antisemitismus mit koscherem Zertifikat.
Netanjahu wiederum bekommt genau das, was er will: treue Spießgesellen für seine Siedlerphantasien – solange die AfD „Wir stehen zu Israel“ ruft, dürfen ihre Mitglieder in ihrer Freizeit weiter von „Wiedererwachen Deutschlands“ schwärmen. Und dass dabei europäische Juden in Gefahr geraten, wenn die neuen „Freunde Israels“ ihre rassistischen Umtriebe im eigenen Land weiterverfolgen? Kollateralschaden. Wer will schon die Sicherheit der jüdischen Gemeinden in Europa aufs Spiel setzen, wenn es um „strategische Partnerschaften“ geht?
Das Problem ist nicht nur, dass Netanjahu mit Antisemiten kooperiert – er hilft ihnen, sich zu legitimieren. Wer Israel unterstützt, kann ja kein Antisemit sein, oder? Dass diese Leute in ihren eigenen Ländern antisemitische Codes bedienen, ist egal, solange sie in Jerusalem die richtigen Worte finden.
Ein jüdischer Staat, dessen Regierung sich mit Holocaustleugnern verbündet, ist etwa so glaubwürdig wie ein veganer Metzger. Einst galt Israel als Zufluchtsort für verfolgte Juden weltweit. Heute wird es durch Netanjahus Bündnispolitik instrumentalisiert, um die europäische Rechte zu rehabilitieren. Der israelische Historiker Yehuda Bauer sagte einmal: „Es gibt keine exzeptionelle jüdische Moral, es gibt nur Moral oder Unmoral.“ Netanjahus Politik fällt eindeutig in die zweite Kategorie.
Und so wird Israel durch Netanjahus Bündnispolitik als Feigenblatt für die Neuen Rechten Europas missbraucht. Während in Berlin, Paris und Wien Gedenktafeln eingeweiht werden, die an die ermordeten Juden erinnern, sitzen in den Parlamenten ihrer Länder Politiker, die diese Verbrechen relativieren – und sich dabei auf Netanjahus Regierung berufen. Ein grandioser Coup der europäischen Rechten: Sie werden reingewaschen, und Netanjahu bekommt neue Komplizen für seinen nationalistischen Feldzug.
Ein kluger Mensch sagte einmal: „Wer mit Wölfen schläft, wacht mit Flöhen auf.“ Netanjahu jedoch schläft nicht nur mit den Wölfen – er bringt ihnen das Jagen bei. Und glaubt ernsthaft, sie würden sich nicht irgendwann gegen ihn wenden.
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