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Orbáns binäre Republik – Ungarns Rückkehr zu Adam und Eva

  • kpeterl
  • vor 6 Tagen
  • 2 Min. Lesezeit

TL;DR: Orbán macht Ernst: In Ungarn gibt’s jetzt nur noch Mann und Frau – per Verfassung. Transrechte? Exkommuniziert. Doppelstaatsbürger? Vaterlandsverräter. Willkommen in der binären Republik, wo Adam und Eva regieren – und Vielfalt rausfliegt.


Am Montag, dem 14. April, hat das ungarische Parlament, unter der frommen Führung seines nationalistischen Oberhirten Viktor Orbán, erneut zugeschlagen. Mit der Präzision eines Vorschlaghammers verabschiedete es eine Verfassungsänderung, die – wie so oft – weniger dem Schutz von irgendwem als der systematischen Entrechtung von LGBT+-Personen dient. Fortan existiert in der ungarischen Verfassung, was die Biologie so schlicht nie war: nur noch Männer und Frauen. Punkt. Alles andere wird nicht etwa diskutiert, sondern exkommuniziert. Die heilige binäre Ordnung – ein theologischer Rückfall, abgesegnet vom Parlament, mit 140 zu 21 Stimmen: Mehrheitsdemokratie im Dienst der Minderheitenverachtung.

 

Einigermaßen pikant: Diese legislative Exorzismusmaßnahme lehnt sich eng an ein Dekret aus dem Amerika des Donald Trump an. Der große Bruder im Geiste, der einst das Klima leugnete, das Virus verspottete und jetzt offenbar als ideologischer Leuchturm über der Puszta strahlt. Dass Orbáns politische Philosophie zunehmend dem Lexikon autoritärer Puritanismen entnommen scheint, überrascht da niemanden mehr, der jemals 1984 über die erste Seite hinaus gelesen hat.

 

Draußen vor dem Parlament versuchten ein paar Dutzend Demonstranten, den Marsch in die Unfreiheit wenigstens kurz zu stören. Die Polizei, im Einsatz so diskret wie ein Panzer in der Porzellanabteilung, räumte sie ab. Ordnung muss sein. Innen schwenkten Oppositionsabgeordnete ein Transparent – Symbolpolitik in Zeiten, da Politik längst zur Symbolik verkommen ist. Draußen skandierten Hunderte: „Wir werden nicht Putins Russland.“ Wie rührend. Ungarn ist längst weiter.

 

Und weil Repression sich so schön vervielfältigen lässt, legte Orbán gleich nach: Ein Gesetz gegen Doppelstaatsbürger, die – wie es heißt – das Vaterland verraten. Wer wagt, zwei Pässe zu besitzen, ist für ihn kein weltoffener Bürger, sondern ein Trojaner. Besonders dann, wenn er sich unter dem Deckmantel von NGOs oder Medien verbirgt. In anderen Ländern würde man das Paranoia nennen, in Ungarn nennt man es Regierungspolitik. Der Entzug der Staatsbürgerschaft droht – außer natürlich man besitzt zufällig die richtige EU-Staatsangehörigkeit. Auch Sippenreinheit will wohlkalkuliert sein.

 

Und weil ein autoritärer Tagungspunkt selten allein kommt, verabschiedete man noch einen Text zur „gesunden moralischen Entwicklung des Kindes“ – ein wohlmeinender Euphemismus für die Verbannung jeglicher queeren Sichtbarkeit. Unter dem Vorwand des Kinderschutzes wird der Pride-Marsch verboten – ein alter Trick, bekannt aus den Regalen der kulturellen Konterrevolution. Wenn Diskriminierung nach Schutz aussieht, hat der Totalitarismus sein Vokabular gefunden.

 

Die junge Transfrau Ruby, 19 Jahre alt, sprach davon, dass die Regierung Transpersonen „eliminieren“ wolle. Es ist ein schreckliches Wort. Und doch trifft es das Geschehen erschreckend gut. Denn was hier passiert, ist kein bloßer Rückschritt, sondern ein gezielter, kalter Marsch in Richtung eines moralisch normierten Staatsgebildes, in dem Abweichung als Krankheit, Vielfalt als Gefahr und Würde als Staatsbesitz gilt. Wer hier noch an liberale Reste glaubt, sollte besser schnell in den Donau schwimmen lernen.

 

Rund dreißig Anwälte nennen die Maßnahmen „völkerrechtlich beispiellos“. Ein Euphemismus für das, was sie sind: autoritär, unmenschlich, zutiefst europafeindlich – und doch mitten in Europa. Es ist, als würde man Kafka zur politischen Gebrauchsanweisung erklären und Orwell zum Drehbuchautor.

 
 
 

Komen


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