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„Richtungsweisendes Erbe“: Luthers Brandspuren und Söders blinder Fleck

TL;DR: Markus Söder preist Luther als Freiheitskämpfer, ignoriert jedoch dessen tiefen Judenhass und seine Aufrufe zur Gewalt gegen Jüdische Menschen. Luthers „Erbe“ war nicht nur religiöse Reform, sondern auch Brandspuren des Hasses, die von den Nationalsozialisten grausam fortgeführt wurden.



Der bayrische Ministerpräsident gibt sich als Denker und möchte uns zum Reformationstag Luthers „richtungsweisendes Erbe“ preisen. Die „Freiheit des Glaubens“ soll’s gewesen sein, ja, ja – der gute alte Luther, der den Menschen den Weg zur Bibel und zur Freiheit wies. Was Sie in Ihrem seicht-gläubigen Post auslassen, Herr Söder, ist ein winziges Detail: Luther wollte die Synagogen brennen sehen und die Juden verschwinden, und zwar gründlich, bis der letzte jüdische Name und das letzte jüdische Buch vernichtet wären. Freiheit des Glaubens, aber nur, wenn das Glaubensbekenntnis mit seinem übereinstimmte.

 

Ja, richtig, Herr Söder: Luther forderte nicht nur theologische Debatten. Er forderte, dass man Synagogen niederreiße, jüdische Häuser schleife, dass man Juden „für alle Zeiten“ verjage. „Praktisch“ wollte er das haben, keine frommen Worte. Und dabei war er nicht der Erfinder dieses Hasses, sondern ein eifriger Erbe einer langen und gründlichen Tradition. Lange vor ihm waren es Kirchenväter und Päpste, die den Hass gegen Juden predigten, sie als „Seuchenträger“ und „Gottesfeinde“ brandmarkten und die Spirale der Gewalt anheizten.

 

Nehmen wir Johannes Chrysostomus, den Byzanzprediger, der mit Leidenschaft von der „Verdorbenheit“ der Juden schwadronierte und dazu riet, besser ohne Juden zu leben, als sich mit ihnen zu belasten. Oder Innozenz III., der Papst, der fand, Juden müssten doch gefälligst erkennbar sein, damit der Christenmensch wisse, wohin er nicht zu schauen habe. Von Thomas von Aquin bis zu den Anführern der Kreuzzüge, die bei jedem Marsch nach Jerusalem nicht vergaßen, einen kurzen Zwischenstopp für ein blutiges Massaker in den jüdischen Vierteln einzulegen – man könnte sich fast einbilden, das Mittelalter hätte nur auf einen Luther gewartet, der aus all dem Folklore macht.

 

Und Sie, Herr Söder, schwärmen von der „Inspiration“, die uns dieser Mann hinterlassen hat, ohne mit einem Wort zu erwähnen, was das für eine war. Dass die Nationalsozialisten sich auf diesen Luther gern beriefen, ihm Ehrungen bereiteten und seine Schriften neu auflegten, weil er doch schon alles ausgesprochen hatte, was sie praktizieren wollten – auch das bleibt unausgesprochen. Man konnte Hitlers Schergen nicht dafür verachten, dass sie das, was Luther forderte, in die Tat umsetzten. Wo Luther Synagogen brennen wollte, sorgten sie für die Umsetzung.

 

Doch nein, Herr Söder, das alles ist nicht erwähnenswert, wenn man über die Reformation spricht, nicht wahr? Da genügt der „Glaube an die Bibel“ und eine Portion Freiheitspredigt. Ein bisschen Stolz auf die deutsche Sprache und eine Prise Stolz auf „deutsche Werte“. Ein gesegnetes Bildchen und die Freiheit des Glaubens, in der Tradition eines Mannes, der nichts dagegen gehabt hätte, den Großteil seiner Mitbürger bei lebendigem Leib zu verbrennen, wenn sie sich nur zur falschen Religion bekannten. Das, Herr Söder, ist Luthers Erbe, mit all seinen Brandspuren.


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