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Sascha Lobo und die große Verschwörung gegen Habeck

kpeterl

TL;DR: Lobo erklärt Habecks Absturz mit Psychologie statt Politik: Der Wähler ist trotzig, nicht Habecks Politik schlecht. Kritik an der Regierung? Gilt als irrational. AfD und BSW sind pro-Putin – doch dass Lobo die Linke gleichsetzt, ist keine Analyse, sondern eine Lüge.



Eine notwendige Polemik gegen die Psychologisierung des Politischen

 

Dass sich Deutschlands oberster Erklärbär Sascha Lobo bemüßigt fühlt, dem Pöbel mal wieder die Welt zu deuten, ist so vorhersehbar wie der Verrat der Grünen an ihren einstigen Idealen. Diesmal geht es um Robert Habeck, den tragischen Helden der alternativlosen Politik, der vom wankelmütigen Volk nicht etwa für seine handwerklich wie kommunikativ desaströse Politik abgestraft wird – sondern für ein psychologisches Phänomen, das Lobo in einer Mischung aus populärwissenschaftlicher Küchenpsychologie und liberaldemokratischer Überheblichkeit als Reaktanz diagnostiziert.

 

Ja, Sie haben richtig gelesen: Der Deutsche an sich – vulgo: das unverständige Wahlvieh wie man Lobo denken hört– lehnt Habeck nicht etwa deshalb ab, weil die Grünen in der Regierung klingen wie ein Yoga-Retreat mit Goldman-Sachs-Zertifizierung, sondern weil er sich von politischer Kommunikation beeinflusst fühlt. Der Wähler, er ist in den Augen Lobos ein trotziger Teenager, der sich gegen das wohlmeinende Nudging der klugen Herrschenden aufbäumt, einfach weil er es kann. Dass sich die vielbeschworene "Reaktanz" nicht etwa gegen Habeck persönlich richtet, sondern gegen eine Politik, die ökologisches storytelling mit sozialer Rücksichtslosigkeit verwechselt – geschenkt.

 

Doch Lobo wäre nicht Lobo, wenn er nicht noch eins draufsetzen würde: Die 52 % der jungen Menschen, die sich von der satten Mitte verabschiedet haben, sind, so lehrt uns der Meister der Halbfakten, in Wahrheit auf die dunkle Seite der Macht gewechselt – also zur AfD, BSW und, aufgepasst, zur Linkspartei, die in einem kühnen rhetorischen Taschenspielertrick mal eben als „Pro-Putin-Partei“ umgelabelt wird. So geht politische Demontage anno 2025: Wer sich gegen den bellizistischen Konsens stellt, kann nur ein verkappter Freund Moskaus sein. Dass es dazwischen eine Position geben könnte – eine, die sich gegen die NATO als imperiale Interventionsmaschine richtet, ohne Putin zum Wohltäter zu verklären –, fällt unter ideologische Kollateralschäden.

 

Nun wäre es ein Leichtes, Lobos Konstruktion als das zu entlarven, was sie ist: eine bequeme Erzählung für all jene, die sich den hässlichen Wahrheiten einer unpopulären, technokratischen Politik nicht stellen wollen. Dass Habecks Absturz mit einer Mischung aus sozialer Kälte und miserabler Kommunikation zu tun hat, lässt sich ja nicht so elegant in ein akademisch verbrämtes Erklärmodell gießen, das sich auf den Spuren von Kahneman und Tversky wähnt, letztlich aber auf dem Niveau von „Wir erklären euch die Welt“ stecken bleibt.

 

Aber das wäre nicht genug. Denn es steckt mehr dahinter. Lobos Gleichsetzung von AfD, BSW und Linkspartei ist nicht nur analytisch unsauber, sondern politisch brandgefährlich. Indem er jede Opposition zur herrschenden Ordnung unter Querfront-Verdacht stellt, betreibt er eine rhetorische Abrüstung der Kritik – und zwar genau jener Kritik, die nötig wäre, um die Verheerungen der aktuellen Politik sichtbar zu machen. Die Linkspartei, ob man sie nun mag oder nicht, stellt im Bundestag immerhin die Frage, ob es mit einer Regierung, die Waffen liefert, Löhne drückt und Lebenshaltungskosten explodieren lässt, wirklich zum Besten bestellt ist. Dass sie dabei nicht immer überzeugend agiert, ist ein anderes Thema – aber sie tut, was die Grünen längst verlernt haben: Sie stellt den Konsens in Frage.

 

Und genau das ist es, was Lobo und die Seinen nicht verzeihen können. Nicht, dass Habeck kritisiert wird – sondern dass er nicht so kritisiert wird, wie es der diskursive Mainstream vorsieht. Reaktanz ist, wenn der Wähler anders entscheidet, als es sich die Kommentatoren wünschen. Und wenn Lobo einmal nicht über sich selbst lachen könnte, müsste er erkennen: Der eigentliche Trotz kommt nicht von unten, sondern von oben – von einer politischen Klasse, die jede Abweichung von ihrem Kurs als irrationalen Reflex diffamiert, weil sie die Realität nicht ertragen kann.


 
 
 

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