TL;DR: Wer den Klassenfeind mit Rasierschaum bewirft, stärkt ihn. Wer dabei klatscht, schwächt die Linke. Politischer Widerstand braucht keine Torten, sondern klare Analysen. Doch wer Politik mit Comedy verwechselt, sorgt nur dafür, dass Lindner lacht – und die Machtverhältnisse bleiben, wie sie sind.
Was für ein Schauspiel: Ein Tortenwurf – sagen wir es klar – eine alberne Posse – trifft den Frontmann der FDP, Christian Lindner, mitten ins Gesicht. Ein Akt, der mehr über den Zustand der Linken verrät als über den Angriffenen. Die Geschichte wiederholt sich, das Drama jedoch wird immer dümmlicher. Als ob der Klassenkampf ein Kabarettprogramm wäre, werden Schaumtorten geworfen, während der politische Gegner ungestört den Sozialstaat in seine Einzelteile zerlegt.
Hat die politische Linke das Metier gewechselt: vom politischen Kampf zur grotesken Performance-Kunst?
Die politische Linke, oder was von ihr übrig ist, hat längst das Metier gewechselt: vom politischen Kampf zur grotesken Performance-Kunst. Und was bleibt? Ein bürgerlich-liberaler Politiker, der mit Rasierschaum im Gesicht dennoch die Rolle des seriösen Erwachsenen einnimmt, während sich die Linke einmal mehr selbst diskreditiert. Das Einzige, was dieser Tortenwurf erreicht hat, ist, dass Lindner von nun an auch moralisch erhöhte Positionen erklimmen darf – „Kampfspuren“, die er „mit Stolz“ trägt, wie er sagte. Eine Steilvorlage für eine Partei, die sich längst als AfD light positioniert hat und mit wirtschaftsliberalen „Vernunftlösungen“ den rechten Rand umgarnt.
Doch das eigentliche Drama entfaltet sich auf Seiten der Linken. Ein Tortenwurf mag einst ein anarchischer Befreiungsschlag gewesen sein – heute ist er bloß noch die infantile Geste einer Bewegung, die keinen Begriff mehr von Machtverhältnissen hat. Wer glaubt, den Klassenfeind mit Rasierschaum zu bewerfen, statt seine politischen Projekte zu bekämpfen, hat nichts verstanden. Das Einzige, was solcher Aktionismus bewirkt, ist, dass die dringend notwendige Kritik an der FDP im Tortenmatsch erstickt wird.
Politischer Widerstand heißt Politik, nicht Comedy
Aber noch schlimmer ist der Applaus, der aus Teilen der Linken ertönt – das hämische Bejubeln einer Aktion, die man bestenfalls als pubertär bezeichnen könnte. Ulrike Eifler Bundessprecherin BAG Betrieb & Gewerkschaft. Mitglied im Parteivorstand Die Linke applaudiert. Applaus, Applaus! Ein weiteres Kapitel in der Selbstzerstörung der Linken. Denn was bleibt vom politischen Widerstand übrig, wenn man sich freiwillig zum Pausenclown der Bourgeoisie macht?
Dass ausgerechnet die FDP – jene Partei, die mit der AfD um die schärfsten Forderungen gegen Geflüchtete, Arme und Erwerbslose wetteifert – nun als Opfer dargestellt wird, ist der eigentliche Triumph des Kapitals. Brot, Bett und Seife – mehr soll es für abgelehnte Asylsuchende laut FDP nicht geben. Und doch gelingt es der Partei, sich als liberale Kraft der Vernunft zu inszenieren. Wer sie mit Schaumkuchen bewirft, spielt ihr genau in die Hände.
Die Torte ersetzt keine Analyse
Dass solche Aktionen in der Linken mittlerweile Tradition haben – erinnern wir uns an den Tortenwurf auf Sahra Wagenknecht – zeigt, wie tief die intellektuelle Krise reicht. Die Linke hat den politischen Kampf längst aufgegeben und sich stattdessen in eine moralische Selbstvergewisserung zurückgezogen, die nur noch aus Symbolhandlungen besteht. Doch wer Lindner mit Schaum bewirft, stärkt ihn – er wird zum Opfer einer vermeintlich „linken Gewalt“, während die eigentliche Kritik an seiner neoliberalen Politik verstummt.
Was fehlt? Eine Analyse der realen Machtverhältnisse. Eine klare politische Agenda, die nicht auf billigen Symbolismus setzt, sondern die grundlegenden sozialen Konflikte benennt. Denn während die Linke Torten serviert, betreibt die FDP die systematische Entrechtung der Schwächsten – und zwar im Gleichschritt mit den Forderungen der AfD. „Brot, Bett und Seife“ – eine AfD-Parole, die von der FDP übernommen wurde, ohne dass es einen nennenswerten Aufschrei gegeben hätte.
Das eigentliche Problem sitzt in der Mitte
Wer die AfD bekämpfen will, muss von der deutschen Mitte reden. Denn es ist diese sogenannte Mitte – die FDP eingeschlossen –, die den autoritären Umbau der Gesellschaft vorantreibt. Die Hetze gegen Bürgergeldempfänger, die Entrechtung von Geflüchteten, der Angriff auf soziale Sicherungssysteme – all das wird von der FDP betrieben, während sie sich zugleich als Hüterin der Demokratie geriert. Und genau diese Politik wird durch dumme Aktionen wie den Tortenwurf kaschiert.
Die Wahrheit ist: Die politische Mitte hat längst akzeptiert, dass rechte Politik salonfähig ist. Sie übernimmt die Parolen der AfD, abgeschwächt und in bürgerlichen Anzügen. Die FDP, als AfD light, fischt am rechten Rand – und währenddessen bewerfen Linke sie mit Schaumtorten. Eine politische Bankrotterklärung.
Schluss mit der Albernheit
Wer Schaumtorten wirft – und das Werfen von Schaum begrüßt –, hat das Denken aufgegeben. Der politische Kampf braucht keine Schaumküsse, sondern klare Analysen und entschiedene Aktionen gegen die realen Machtverhältnisse. Statt die FDP mit moralischer Entrüstung zu stärken, sollte man ihre Politik entlarven. Wer das nicht versteht, gehört tatsächlich eher ins Kabarett als in eine politische Partei.
Kurzum: Wer Klassenkampf durch Slapstick ersetzt, hat verloren.
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