top of page

Tränen aus dem rechten Auge – Nachrufmaskerade der Rechten Internationale auf Franziskus

  • kpeterl
  • 21. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

TL;DR: Tränen aus dem rechten Auge: Nach dem Tod von Papst Franziskus übt sich die Rechte, auch die AfD, in geheucheltem Beileid – für einen Papst, den sie zu Lebzeiten verachtete. Jetzt hoffen sie auf einen Pontifex, der wieder Zucht, Ordnung und Ausschluss predigt.



 

Kaum war Franziskus tot, flatterte das Beileid von Nationalisten und Faschisten wie gesegnetes Konfetti durchs Netz – eine Inszenierung der Anstandsmiene, so glaubwürdig wie ein AfD-Gottesdienst für Seenotretter. Während der Leichnam noch warm war, halluzinierte die Rechte bereits vom neuen Papst – einem Bischof, der Gendersternchen exorziert und Grenzwälle segnet, statt sie niederzureißen; der Exkommunikation predigt statt Empathie; der weniger Evangelium und mehr Exorzismus zelebriert – vorzugsweise auf Latein, damit das einfache Volk seine eigene Verdammnis nicht versteht.

 

Die amerikanische Rechte, in Gestalt des zum Katholizismus konvertierten Opportunisten JD Vance, bekam noch vor dem Exitus ihren Privatmoment. Ein paar Minuten im Vatikan, ein paar salbungsvolle Worte auf X – mehr PR-Moment als Pietät. Vance – ehemaliger Atheist, jetziger Familienfundamentalist mit Jesus-Tweetgenerator – verpackt seine Beileidsbekundung in das Narrativ der „christlichen Familie“, dieser heiligen Dreifaltigkeit aus Gewehr, Gebet und Gated Community. Von Nächstenliebe keine Spur – schließlich stört die nur beim Immobilienwert in Vororten mit Latinos.

 

Giorgia Meloni wiederum, einst verlässlich kratzbürstig gegenüber päpstlicher Flüchtlingspolitik, erinnert sich öffentlich daran, mit Franziskus bei der „Allgemeinen Geburtenzählung“ 2023 auf dem Podium gestanden zu haben – ein Bild, das wohl eher der italienischen Familienidylle als der christlichen Ethik geschuldet war. Ihre Laudatio klingt, als wolle sie einem verstorbenen Widersacher das letzte Wort nehmen, ohne das erste je verstanden zu haben.

 

Und die AfD? Die schreibt plötzlich Gebete. Nicole Höchst, kirchenpolitische Sprecherin mit dem Charisma einer Bußpredigt in Beton, dichtet Franziskus kurzerhand zum Friedenspapst um – ausgerechnet sie, deren Partei das Evangelium lieber durch Abschiebe-Erlässe ersetzt hätte. Noch gestern hieß es „Papst auf Abwegen“, heute legt man Kränze. Selbst Neonazis wie die NPD krochen aus ihren Kellern, um dem „Migrationslobbyisten“ Franziskus ein taktisch geheucheltes Ave Maria zu widmen. Und die Junge Freiheit? Die übte sich erst in devotem Applaus, dann in agitierter Apostelkritik – Franziskus habe sich „dem linken Zeitgeist unterworfen“, so ein gewisser Rechtsanwalt Zeitler, der vermutlich glaubt, das achte Sakrament heiße Steuervermeidung.

 

Was die Rechte Franziskus nie verzieh, war sein praktiziertes Evangelium der Demut – kein rituelles Lippenbekenntnis, sondern gelebte Provokation gegen die Dogmen der Macht. Mehrfach, zuletzt 2016, wusch er in der Gründonnerstagsmesse nichtchristlichen Geflüchteten in einer Asylunterkunft nahe Rom die Füße – auch Freuen und Nichtchristen, darunter auch Muslim*innen, Menschen ohne Pass, aber mit Würde. Die Geste, angelehnt an das Letzte Abendmahl, war nicht nur ein Zeichen der Versöhnung, sondern ein stiller Aufstand gegen das Kirchenrecht, das bis dahin nur männlichen Katholiken diesen Ritus zubilligte.


Für die Einen eine radikale Rückbesinnung auf das Evangelium. Für die Anderen – also die mit den geschlossenen Grenzen im Kopf – ein Sakrileg. Ein Papst, der sich mit den Familien der Hamas-Geiseln traf, mit ihnen betete und ihnen versprach, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um deren Freilassung zu erreichen. Der als erster Pontifex das Grab des zionistischen Visionärs Theodor Herzl besuchte, der regelmäßig jede Form des Antisemitismus verurteilte und ihn als „weder menschlich noch christlich“ bezeichnete – und gleichzeitig Palästina anerkannte. Der Kapitalismuskritik nicht als Fußnote ins Lehramt schrieb, sondern als Brandrede gegen Ungleichheit, Heuchelei und Waffenexporte hielt – zu viel Weltgericht für die Freunde des westlichen Wertebündnisses.

 

Und schlimmer noch: Franziskus hatte den Mut, sich den Unberührbaren zuzuwenden – jenen, über die das konservative Europa lieber in Prozentzahlen spricht als in Empathie. In öffentlichen Erklärungen betonte er die Notwendigkeit, LGBT-Personen – einschließlich Trans*-Kindern – zu akzeptieren, willkommen zu heißen und zu begleiten. Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen, verurteilte er scharf. Argentiniens libertärer Wutbürger Javier Milei, in Personalunion Trump-Fanboy und Musk-Fantasist, nannte ihn einen „schwachsinnigen Kommunisten“. In deutschen Kommentarspalten war Franziskus wahlweise Marxist, Narr oder Nestbeschmutzer.

 

Und nun? Nun hofft das konservative Nationalistische und Faschistische Spektrum auf einen Papst, der endlich wieder Ordnung bringt – nicht ins Gewissen, sondern in die Geschlechter. Einer, der die Kirche zurückführt zu Zucht, Ordnung und liturgisch verbrämtem Kulturkampf. Statt globaler Gerechtigkeit soll es wieder um globale Hierarchie gehen. Statt Migration um „neue Demographie“. Statt Barmherzigkeit um „gesunde Volkskörper“.

 

Wer Franziskus jetzt preist, obwohl er sein Programm zu Lebzeiten verdammte, beweist nicht nur mangelnde Lektürekompetenz in Sachen Bergpredigt, sondern einen Hang zur politisch-liturgischen Schizophrenie. Und wenn bald wieder ein Papst gewählt wird, der mehr Kreuzzug als Klimaschutz predigt, wird das rechte Lager endlich wieder glauben, Gott sei doch ein Mann mit Mauerfetisch.

 

Die fromme Rechte betet in der Hoffnung, der nächste Papst möge ein Freund des Privateigentums und ein Feind der Gendersternchen sein – also exakt das Gegenteil jenes Mannes, dessen Beileid sie gerade simuliert. Dass Franziskus sich mit den Schwächsten verbündete und den Mächtigen widersprach, wird in diesen Nachrufen zum Betriebsunfall verklärt. Als sei es ein Versehen gewesen, dass dieser Papst nicht taugte zur Leitfigur einer Renaissance des reaktionären Christentums.

 

Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer, heißt es. Doch in diesem Fall gilt: Wer sich mit dem rechten Populismus einlässt, verliert seine Glaubwürdigkeit noch vor dem Tod.

 

Und Franziskus? Der hat den goldenen Käfig aufgeschlossen – und die Taube fliegen lassen.

 
 
 

Kommentare


bottom of page