TL;DR: Sahra Wagenknecht verbindet in ihrem Video zum 35. Jahrestag des Mauerfalls DDR-Nostalgie mit populistischer Rhetorik und rückt dabei durch antiwestliche und autoritäre Töne in die Nähe rechter Denkmuster. Ihre Kritik an den „Eliten“, der „gleichgeschalteten Presse“ und den „transatlantischen Netzwerken“ erinnert stark an rechte Verschwörungstheorien und verfremdet demokratische Realität zur populistischen Schimäre. Ihr Aufruf zur „friedlichen Revolution“ ist inhaltsleer und konstruiert ein dystopisches Bild Deutschlands, das an die DDR erinnert, die sie einst bevorzugte. Wagenknecht zeigt sich hier weniger als linke Kämpferin für das Volk, sondern als eine rückwärtsgewandte Stimme, die sich alter Feindbilder bedient, um die Bundesrepublik zu delegitimieren.
Man sollte zwar nicht in jede Kloake schnuppern, aber um zu verstehen, wie weit die einstige Gallionsfigur der Kommunistischen Plattform (KPF) und der Antikapitalistischen Linken (AKL) sowie anderer „Linker in der Linken“ inzwischen im rechten Lager gelandet ist – ausgestattet mit derselben autoritären, antiwestlichen, antiamerikanischen und antizionistischen Rhetorik, die in diesen Kreisen irrtümlich als „Linkssein“ gilt –, ist es leider notwendig, sich ihr Video zum 35. Jahrestag des Mauerfalls, veröffentlicht am 9. November 2024 unter dem Titel „35 Jahre Mauerfall: Brauchen wir heute wieder eine 'friedliche Revolution'?“, anzuschauen.
Mein Text dazu:
Die Mauer in den Köpfen: Wagenknechts Feindbild „Elite“
Wagenknecht, einst die laute Kritikerin der „westlichen Dekadenz“, stellt sich nun als Volksvertreterin dar und beschwört die Geister vergangener Unrechtsregime. Als ob es keine Wahlen gäbe, keine Demokratie, in der die Bürger sich aus freien Stücken für oder gegen Parteien entscheiden könnten. Für Wagenknecht leben wir in einer „Zeit, in der die unten nicht mehr wollen und die oben nicht mehr können“ (0:22). In welcher Realität sie das entdeckt haben mag, bleibt ihr Geheimnis. Doch das Bild ist klar: Eine Elite von Politiker*innen, die sie im Stil alter DDR-Parolen als „abgehobene Blase“ denunziert, herrsche über das Volk. Sie konstruiert einen elitären Gegner, der angeblich gegen die Interessen der Bürger regiert, ohne dabei eine Spur der Demokratie anzuerkennen, in der sie selbst lebt und profitiert.
Was folgt, ist eine Farce linker Parolen und rechter Anspielungen. Indem sie die Demokratie mit der DDR-Führung vergleicht, zeigt sie nicht nur nostalgische Verbundenheit mit der einstigen Partei, der sie kurz vor dem Mauerfall beitrat, sondern enthüllt auch ihre realitätsferne Sicht auf die politische Landschaft der Bundesrepublik.
Eine „Lügenpresse“ ohne DDR-Zensur? Wagenknechts verdrehte Medienkritik
Wagenknecht reiht sich in den Chor jener ein, die „Lügenpresse“ schreien, sobald eine Nachricht nicht in ihre Weltsicht passt. Sie fragt, ob „viele Medien ihre Funktion als Kontrollinstanz und unabhängige vierte Gewalt immer mehr verlieren“ (2:23). Die Ironie dieser Worte scheint ihr jedoch entgangen zu sein: Dieselbe Presse, die angeblich „ihre Rolle darin sieht, die Regierung zu stützen und das Volk zu erziehen“, gibt ihr ungehindert eine Bühne, um ihre Parolen zu verbreiten. Ihre Behauptung, wir lebten in einer Zeit, in der kritische Stimmen unterdrückt und abweichende Meinungen diffamiert würden, ist nichts anderes als eine Neuauflage der von der Neuen Rechten gefeierten „Lügenpresse“-Rhetorik.
Als ob es in der DDR Pressefreiheit gegeben hätte! Ein System, das jegliche unabhängige Stimme im Keim erstickte, wird von Wagenknecht nun zum Modell für ihre verzerrte Realität erhoben. Doch ihr Loblied auf angebliche Medienunterdrückung in der Bundesrepublik ist in Wahrheit nur eine Farce – eine Farce, die sie zur Heldin der „wahren“ Wahrheit stilisieren soll, indem sie die Presse als verlängerten Arm der Regierung darstellt.
Transatlantische Netzwerke: Rechte Verschwörungsideologische Paranoia?
Neben der „Elite“ und den Medien spukt in Wagenknechts Kopf ein weiteres Feindbild herum: die „transatlantischen Netzwerke.“ Was einst die „Zionisten“ für andere Ideologen waren, sind für Wagenknecht die „Transatlantiker“, die angeblich den deutschen Souverän verraten und in den „Willen des Establishments in den USA“ (4:00) unterwerfen. Der amerikanische Einfluss, behauptet sie, beschneide Deutschlands Handlungsspielraum.
Diese Hetze gegen die USA ist ein bekanntes Narrativ, das sowohl in rechten Verschwörungstheorien als auch im linken Antiamerikanismus eine lange Tradition hat. Es ist das alte Lied vom bösen Ausland, das die Geschicke des „armen kleinen Deutschlands“ lenkt. Wagenknechts USA-Kritik ist kein Plädoyer für mehr Unabhängigkeit, sondern ein Versuch, die Realität nach ihren Wünschen zu gestalten: eine nationale, vom „Feindbild Amerika“ befreite Politik. Diese billige Rhetorik, die angebliche „transatlantische Netzwerke“ als Drahtzieher präsentiert, ist nicht links, sie ist reaktionär.
Plädoyer für eine „friedliche Revolution“: Populismus ohne Substanz
Wagenknechts Video gipfelt in einem Aufruf zu einer „friedlichen Revolution“, einem vertrauten Klang alter Parolen, die mit keinem Hauch von Aktualität versehen sind. In Anlehnung an 1989 fordert sie, dass „Zustände nicht unveränderbar sind und wir sie verändern können“ (9:34). Doch was will sie wirklich? Eine Revolution, die Deutschland aus den „Klauen der USA“ und der „gleichgeschalteten Medien“ befreit? Ein Sturz der Demokratie zugunsten eines Systems, in dem nur „das Volk“ (was auch immer das für sie bedeutet) gehört wird?
Ihre Appelle zur „Revolution“ sind nichts als leere Phrasen, bar jeder Substanz, ohne auch nur die Spur eines konkreten Plans für eine gerechtere Gesellschaft. Sie redet von einer Spaltung, die angeblich überwunden werden soll, und bleibt dabei doch selbst eine Meisterin der Spaltung, indem sie ständig neue Feindbilder erschafft und mit pseudorevolutionärem Vokabular kokettiert. Wagenknecht will sich als Revolutionärin inszenieren, doch die Substanz fehlt. Die Revolution, die sie will, ist eine Karikatur des Widerstands.
Rechter Rhetorik im Mantel von DDR-Nostalgie
Sahra Wagenknecht entlarvt sich als die „Linke“, die sich mit den Methoden und der Sprache der Rechten in Szene setzt. Ihr Appell zur „friedlichen Revolution“ erinnert nicht an linke Bewegungen, sondern an die rhetorischen Strategien rechter Populisten. Ihre DDR-Nostalgie und ihre Parolen gegen die „Eliten“, die „gleichgeschaltete Presse“ und den „amerikanischen Einfluss“ sind nicht das Bekenntnis einer freiheitlichen Demokratin, sondern die Sehnsucht nach einer Vergangenheit, die von Widersprüchen und Zwängen geprägt war.
Was bleibt, ist ein Bild der ehemaligen Kommunistin, die sich zu einer Symbolfigur für rechte Verschwörungstheorien entwickelt hat, die die Bundesrepublik als Unrechtsstaat verunglimpft, während sie sich gleichzeitig als die große Verteidigerin der „Volksmeinung“ aufspielt. In Wahrheit ist sie das, wovor sie selbst am meisten zu warnen scheint: ein Relikt aus einer vergangenen Zeit, das sich hartnäckig an überholten Feindbildern und verklärter Nostalgie festklammert, unfähig, die Realität der heutigen Demokratie zu akzeptieren.
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