top of page

„Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ – Der Narzissmus des Ole Nymoen

  • 10. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit

TL;DR: Ole Nymoens „Lieber in Unfreiheit leben“ ist kein Pazifismus, sondern privilegierte Passivität. Nymoens Buch ist kein Aufruf zum Frieden, sondern zur Resignation. Wer nichts verteidigt, überlässt das Feld jenen, die bereit sind, alles zu zerstören.


Eine Kritik an der Haltung Ole Nymoens


„Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ – klingt nach Pazifismus, ist aber privilegierte Passivität. Nymoens Haltung verwechselt Haltung mit Rückzug. Wer nichts verteidigt, macht Platz für jene, die bereit sind, alles zu zerstören.

Es gibt Bücher, die mutig sind, und solche, die sich so nennen, weil sie wissen, dass es niemand nachprüfen wird. „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ gehört zur zweiten Gattung – ein Manifest des gepflegten Rückzugs, verfasst in der komfortablen Loggia der spätbürgerlichen Wohlstandsoase, wo der Ernst des Lebens höchstens als Schlagzeile in der Tagesschau erscheint.

 

Dass diesem Text dennoch ein warmer Rückenwind aus Teilen der sich „sozialistisch“ nennenden Presse entgegenweht – von der Jungen Welt über Neues Deutschland bis hin zu Linken-Funktionärinnen wie Ulrike Eifler oder Nicole Gohlke – ist keine Überraschung. Wer die politische Handlungsunfähigkeit zur Tugend verklärt, erkennt im passiven Pazifismus offenbar schon den Keim der Revolution.

 

Der große Rückzug ins Ich

 

Wer erklärt, lieber in Unfreiheit zu leben als für die Freiheit zu sterben, spricht nicht als Überlebender einer Diktatur oder als Veteran des Widerstands – sondern als einer, der es sich leisten kann, zwischen einem auskömmlichen Alltag und der Radikalität der Fernbedienung zu wählen.Diese Position ist nicht subversiv, sondern saturiert – und wird nur dadurch möglich, dass andere in der Geschichte bereit waren, für Freiheit zu kämpfen, zu leiden und zu sterben.

 

Es ist der große Irrtum des postmodernen Moralmonologs, das politische Subjekt im Singular zu suchen und das Kollektiv als Bedrohung zu begreifen – als wäre die Résistance ein Akt narzisstischer Selbstfindung gewesen.

 

Man kann die Waffe verweigern, ohne den Widerstand zu verraten. Die Verteidigung der Kriegsdienstverweigerung als ein individuelles, zutiefst humanes Recht – auch aus marxistischer Perspektive – hat nichts mit der Haltung Nymoens zu tun.

 

Wer wie ich einst zur „Gewissensprüfung“ geladen wurde – schriftlich und mündlich, vor einem staatlichen Ausschuss, der am Ende befand, das eigene Gewissen sei unzureichend begründet, und erst vor der zweiten Instanz überzeugt werden musste – der weiß, was es heißt, den Dienst an der Waffe abzulehnen ohne sich der Verantwortung zu entziehen.

 

Denn verweigert wurde das Töten, nicht der Kampf – schon gar nicht der für eine gerechtere Gesellschaft.

 

Pazifismus im Sinne Gandhis heißt nicht, Unrecht zu ertragen. Es bedeutet, Widerstand ohne Waffe zu leisten – mit dem eigenen Körper, dem eigenen Leben. Gandhi war bereit, zu sterben – aber nicht zu töten.


Nymoen hingegen will nicht töten, nicht leiden, nicht sterben – und, was schlimmer ist: auch nicht handeln. Seine Weigerung ist kein gewaltfreier Widerstand – sie ist stilles Einverständnis mit der Lage. Das ist kein Pazifismus, das ist Privilegienbewahrung unter progressiver Rhetorik.

 

 

Nicht jede Gewalt ist gleich – aber jede Kapitulation schon

 

Was sich hier als Universalpazifismus geriert, verwischt die Unterschiede zwischen Angreifer und Angegriffenem, zwischen Kolonialherr und Befreiungskämpfer. Die FLN in Algerien, der Aufstand in der CSSR 1968, die Massen auf den Straßen von Budapest 1956 – sie alle wären nach dieser Logik moralisch verdächtig, weil sie sich gewehrt haben.

 

Dass historischer Widerstand stets blutig war, ist kein Argument gegen ihn – sondern ein Argument für die Notwendigkeit, zwischen Angriff und Verteidigung, zwischen Unterdrückung und Selbstbestimmung zu unterscheiden.

 

Dieses Buch erklärt nicht nur den Krieg für falsch – sondern gleich jede Form des politischen Engagements, die über das eigene Seelenheil hinausgeht. Es ist kein Manifest der Hoffnung, sondern des Rückzugs. Kein Plädoyer für den Frieden, sondern ein Appell zur Resignation.

 

Ein Manifest für mündige Ohnmacht

 

Das Ich wird zur moralischen Endstation, hinter der nichts mehr kommt – keine Analyse, keine Strategie, keine Solidarität. Wer so spricht, lebt nicht in Unfreiheit – er lebt außerhalb der Geschichte.

 

Dieses Buch wird als aufrüttelnd verkauft, ist aber sedierend. Es nimmt den Leser nicht in die Pflicht, sondern aus ihr heraus. Wer sich selbst für das Maß aller Dinge hält, darf sich nicht wundern, wenn ihn niemand ernst nimmt, wenn es ernst wird.

 

Denn der Unterschied zwischen Haltung und Pose liegt im Preis, den man bereit ist zu zahlen.

Man muss sich schon sehr bücken, um ausgerechnet das Ducken zur letzten aufrechten Haltung zu erklären.

 

„Lieber aufrecht im Kugelhagel als auf allen Vieren im Frieden.“(Nicht Nymoen. Sondern: der Revolutionär Frifrich Engels.)

 
 
 

Comments


bottom of page