TL;DR: „Wie kann es sein, dass Zionisten so einen Einfluss auf unser Leben haben?“ fragt der Typ, der Kunden bedroht, weil sie „Bring them home“-Shirts tragen, sich dabei filmt, es online feiert – und nach seiner Kündigung das Opfer der 'Zionist*innen' gibt.
Die Weltverschwörung schlägt zurück
Kennen Sie das? Man verliert seinen Job, nicht etwa weil man unfähig oder unangenehm wäre, sondern – halten Sie sich fest – weil „die Zionisten“ ihre Fäden gezogen haben. Es klingt wie aus einer längst vergilbten Ausgabe des „Stürmer“, aber nein, es stammt aus den sozialen Medien des 21. Jahrhunderts. Zwei Berliner Aktivist*innen der Hamas verlieren ihre Anstellung und erklären die Kündigung mit einer jüdischen Weltverschwörung. Im Original des Instagram-Posts: „How can it be that Zionists can have such an influence on our lives?“ Wie originell.
Die Opferrolle als Alibi
„Alaa und ich wurden gefeuert, weil wir ‚politisch zu schlecht‘ sind.“ Arme, entrechtete Seelen! Dass es vielleicht daran liegt, dass man einer antisemitischen Terrororganisation nahe steht, kommt ihnen nicht in den Sinn. Lieber gleich die große Weltverschwörung bemühen. Denn wie jeder weiß: Hinter jeder misslungenen Karriere steht ein „zionistischer Plan“. Vom Supermarkt zur Hetzplattform
Ein Job an der Supermarktkasse ist wahrlich nicht glamourös, verlangt aber immerhin eines: Anstand. Was tut unser Aktivist laut seinem Instagram-Profil? Er bedroht einen Kunden, der ein Shirt mit der Aufschrift „Bring them home“ trägt – ein stiller Verweis auf die verschleppten Geiseln des 7. Oktober. Er schreit den Kunden an, filmt das Ganze und veröffentlicht es stolz auf Instagram. Als wäre das nicht genug, feiert er die Bedrohung und verspottet das Opfer öffentlich.
Wer glaubt, dass „politische Ansichten“ keine Kündigung rechtfertigen, möge bitte erklären, wie Bedrohungen von Kund*innen und öffentliches Anprangern zum Jobprofil eines Kassierers gehören sollen.
Antisemitische Klischees en masse
„Wie kann es sein, dass Zionisten so einen Einfluss auf unser Leben haben?“ Ein klassischer Griff in die antisemitische Mottenkiste. Der Jude als Drahtzieher, als Marionettenspieler, als allmächtige Macht, die im Hintergrund schaltet und waltet. Dass es hier um reale Menschen mit realen Konsequenzen für real antisemitische Aussagen geht? Uninteressant. Schuld sind immer „die Zionisten“.
Die Grenzen des Arbeitsrechts
Arbeitsrechtlich mag eine Mitgliedschaft in der Hamas oder der NPD nicht automatisch ein Kündigungsgrund sein. Doch die Grenze wird überschritten, wenn Angestellte Kund*innen bedrohen, ihre „Heldentat“ im Netz präsentieren und damit dem Arbeitgeber schaden. Ein Supermarkt ist kein Ort für ideologische Hetzjagden. Wer das verwechselt, verliert nicht wegen „Zionisten“ seinen Job, sondern wegen sich selbst.
Der Kniff mit dem „faschistischen Land“
Das „faschistische Land“ im Kontext von „zionistischem Einfluss“ – diese Wortwahl lässt wenig Interpretationsspielraum. Kritik an Israel ist selbstverständlich erlaubt, aber Israel und Zionismus pauschal zu „Faschismus“ erklären? Laut der Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA), Punkt 10, ist das nichts anderes als eine Dämonisierung jüdischer Selbstbestimmung. Klingt bekannt? Eben.
Die Mini-Job-Solidarität
Und dann noch ein Aufruf zur Solidarität: „Besser mit Leuten, die ich kenne, als mit Fremden.“ Man bleibt also im sicheren Raum der Gesinnungsgenossen. Ressentiments gedeihen bekanntlich besser im Warmen, wo niemand kritische Fragen stellt. Der antisemitische Geist blüht, solange er im Gewächshaus der eigenen Ideologie gehegt wird.
Alte Lügen in neuen Kleidern
Wer Antisemitismus verbreitet und sich über die Konsequenzen wundert, hat vor allem eines nicht verstanden: Auch im 21. Jahrhundert kann man nicht alles dem „zionistischen Einfluss“ in die Schuhe schieben. Manchmal liegt es einfach an einem selbst. Doch Verantwortung zu übernehmen, ist schwer. Die Schuld auf „die Zionisten“ zu schieben, das ist bequem – und genau deshalb so beliebt.
Der instagram-Post im Orginal ohne Namen:
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