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Die Chemnitzer Beerdigung des Linken Kampfes gegen jeden Antisemitismus

  • kpeterl
  • vor 9 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit

TL;DR: DIE LINKE trägt den Kampf gegen jede Art des Antisemitismus zu Grabe– in Chemnitz wurde nicht definiert, sondern delegitimiert: Wer „Nie wieder“ sagt, entscheidet nun selbst, ab wann er Jüdische Menschen damit nicht mehr meint.




Symbolbild: DIE LINKE trägt den Kampf gegen jede Art des Antisemitismus zu Grabe
Symbolbild: DIE LINKE trägt den Kampf gegen jede Art des Antisemitismus zu Grabe

 

Chemnitz also. Früher ein Symbol revolutionärer Theorie, heute: Ort der ideologischen Beerdigung linker Grundsätze. DIE LINKE lud zum Parteitag, und es wurde nicht nur diskutiert, sondern exekutiert – der Kampf gegen den Antisemitismus nämlich. In der Verlängerung nach Abpfiff, wo andernorts die Lichter ausgehen, wurde in aller Stille Antrag G.03 durchgewunken, begleitet vom Takt des Stimmgeräts. Thema: Die sogenannte Jerusalemer Erklärung. Ergebnis: ein programmatisches Totenglöcklein für alles, was jemals „Nie wieder“ meinte.

 

Der Antrag – ein Papier mit dem intellektuellen Gewicht eines Parteitagsflyers zu den Kaffeepreisen in der Halle – definiert Antisemitismus so, dass man sich fragt, wie es sein kann, dass ausgerechnet „jüdisch“ darin kaum vorkommt. Dafür umso öfter: der Hinweis, dass es auch antisemitismuskritische Antisemiten gebe, sofern die Parole „From the River to the Sea“ aus humanitärem Impuls gebrüllt wird. Die Partei hat entschieden: Kritik an Israel ist sakrosankt, und Antisemitismus nur dann schlimm, wenn er aus der falschen Richtung kommt.

 

Was als „Definition“ verkauft wird, ist nichts anderes als die Enteignung jüdischer Erfahrung zugunsten eines palästinasolidarischen Affekts, der sich blindlings auf alles stürzt, was mit Davidstern, Kippa oder jüdischer Existenz zu tun hat – es sei denn, es verurteilt Israel. Özlem Demirel sagte es ganz offen: Es gehe nicht um Theorie, sondern um eine „konkrete Frage für viele, die davon betroffen sind“. Wen sie meint, ist schnell klar: nicht die, die attackiert werden, sondern die, die sich von Kritik an Angriffen irritiert fühlen.

 

Während in Brooklyn Synagogen bedroht, in Paris jüdische Friedhöfe geschändet und in Berlin „Scheißjuden“ gerufen wird, diskutiert die deutsche Linke über Formulierungen. In der Brunnenstraße wird „I like November“ auf die Synagogenwand geschmiert – ein intellektuelles Grußwort an die Pogromnacht, das man fast als Kunstinstallation durchgehen lässt. In Charlottenburg wird eine Frau als „zionistische Schlampe“ beschimpft, weil sie einen Davidstern trägt. Und die Linke fragt: War das schon Antisemitismus – oder doch nur eine Ausdrucksform postkolonialer Wut?

 

Es ist die gleiche Partei, die einst antrat, das Andere zu repräsentieren – und nun entscheidet, wer als Opfer gelten darf. Opfer ist, wessen Krawatte passt. Nicht wessen Kippa blutig ist. Jüdische Gemeinden, chassidische Männer, kleine Kinder mit Schulranzen in Bnei Brak – sie stehen nicht mehr auf der Liste der Betroffenen. Dafür: Jeder, der sich durch Antisemitismusvorwürfe in seiner Palästinasolidarität gestört fühlt.

 

Denn das ist das Kalkül: Wer sich nicht zur „israelkritischen Linken“ bekennt, gilt als Teil des Problems. Wer auf Raketen auf Tel Aviv oder Parolen wie „Hitler hatte recht“ verweist, wird der Instrumentalisierung verdächtigt – als hätten Juden ihre eigenen Antisemitismus Erfahrungen nur erfunden, um Netanjahu zu retten. Eine Logik, die weniger aus Tel Aviv stammt als aus Ostberliner Parteibüros, in denen einst die Pogrome von 1938 als imperialistische Provokation erklärt wurden.

 

Was mit Antrag G.03 begraben wurde, ist nicht nur ein politischer Standard. Es ist die Idee, dass linker Antifaschismus auch Jüdische Menschen und den Kampf gegen jeden Antisemitismus einschließen muss. Dass Schutz nicht selektiv, Solidarität nicht exklusiv sein darf. Doch die neue deutsche Linke kennt Opfer nur in eine Richtung – und tut sich schwer mit der Erkenntnis, dass auch eine jüdische Rentnerin auf dem Weg zur Synagoge von struktureller Gewalt betroffen sein kann.

 

Antisemitismus wird nicht mehr bedingungslos bekämpft, sondern – kontextualisiert. Kritik an Israel ist immer und in jeder Ausdruckform „legitim“, Judenhass ein Kollateralschaden globaler Gerechtigkeit. In Neukölln marschieren Männer mit Kufiya und „Juden raus“-Rufen durch die Straßen, und auf dem Parteitag debattiert man über Formulierungen. Ein absurdes Theaterstück. Nur leider ohne Schauspieler – aber mit echten Einschlägen.

 

DIE LINKE hat keine Antisemiten. Sie hat nur sehr verständnisvolle Palästinafreunde, die zufällig auch etwas gegen Synagogen haben. Und gegen Betende. Und gegen sichtbares Judentum. Und gegen… na, Sie wissen schon. Und während das Pogrom längst wieder Alltag ist, führen Delegierte semantische Fechtkämpfe um das richtige Wort für den falschen Hass.

 

Wer Antisemitismus relativiert, um Antizionismus zu retten, verliert beides. Und wer jüdische Menschen aus Bewegungen vertreibt, weil sie nicht ins solidarische Weltbild passen, wird bald merken, dass auch die Solidarität nur eine Fata Morgana war – flüchtig, beliebig und am Ende nur ein politisches Accessoire.

 

 Statement Dr. Josef Schusterfür den Zentralrat der Juden zum Parteitagsbeschluss der Linkspartei: Linkspartei gegen die IHRA-Definition

 
 
 

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