Israel stehen Wahlen bevor – Netanjahus Koalition vor dem Exodus
- kpeterl
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TL;DR: Israel vor Neuwahlen: Die Haredi-Parteien drohen mit Koalitionsbruch, weil Netanjahu kein Gesetz zur Wehrdienstbefreiung vorlegt. Wenn Rabbiner regieren, schweigt das Parlament – und das nächste Amen könnte die Knesset auflösen.

Das Vereinigte Thora-Judentum, eine der beiden Haredi Parteien in der Koalition, erklärte, es werde aus der Regierung austreten, wenn es nicht in letzter Minute Zugeständnisse in Form einer Befreiung Haredi-Männer vom Militärdienst erreiche.
In Israel, wo selbst Gott Parteisoldaten hat, ist der Zustand der Demokratie neuerdings so brüchig wie das Schweigen im Rabbinerkollegium der Koalition. Die Haredi-Partei Vereinigtes Thora-Judentum (UTJ), geleitet von Rabbinern, die auf göttliche Eingebungen hören – oder was sie dafür halten –, hat beschlossen, Benjamin Netanjahu die Gefolgschaft zu entziehen. Das Thema? Die Frage, ob Tausende junger Männer mit Bart und Buch auch nur einen Tag ihres Lebens in Khaki verbringen müssen.
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Wie nennt man das? Koalitionsbruch aus Glaubensgründen. Staatsraison als halachische Pflicht für Jeschiwa-Schüler.
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Rabbi Dov Landau – kein gewählter Politiker, sondern der faktische Vorsitzende Haredi-Partei Vereinigtes Thora-Judentum (UTJ) mit Bekenntnis zum Talmud statt zur ‚Schriftrolle der Unabhängigkeit' vom 14. Mai 1948 – hat seiner Partei das Signal zum Exodus gegeben. Keine zehn Plagen braucht es mehr, eine ungenügende Gesetzesvorlage zur Wehrpflicht genügt. Die Netanjahu-Regierung, ohnehin ein Flickenteppich aus Selbstwiderspruch und Machtkalkül, droht zu kollabieren, weil man sich nicht darauf einigen kann, ob göttlicher Beistand eine Uniform ersetzt.
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Und wer folgt dem rabbinischen Trommelschlag? Natürlich: die Schas-Partei, die zweite Hälfte des ultraorthodoxen Duetts. Ihr Parteiführer Aryeh Deri inszeniert sich als staatsmännischer Vermittler – mit dem Talmud statt der ‚Schriftrolle der Unabhängigkeit' vom 14. Mai 1948 Israels in der Hand –, ohne sich festzulegen, ob er Netanjahus Haus stabilisieren oder schleifen will. Ein Balanceakt zwischen den Anweisungen des Rates der Thora-Weisen und der längst suspendierten politischen Vernunft.
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Man kann das als Ausdruck religiöser Vielfalt feiern. Oder als Geiselnahme durch Männer, die lieber beten als dienen – und lieber die Wehrpflicht verweigern, als den Staat, der sie alimentiert, zu stützen.
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Die Farce erreicht ihren Höhepunkt im Verhalten der Regierung: Ein Ultimatum wurde gestellt, die Schawuot-Frist ist verstrichen, das Gesetz zur Befreiung vom Militärdienst gescheitert. Und nun? Tausende Jeschiwa-Schüler gelten als Kriegsdienstverweigerer – nicht aus pazifistischer Überzeugung, sondern weil sie glauben, der Ewige brauche sie dringender beim Kommentieren der Gemara als in Uniform am Grenzzaun.
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Der wahre Treppenwitz aber ist die Reaktion der Koalition: Die Opposition reicht Anträge zur Auflösung der Knesset ein – symbolisch, denn das eigentliche Ende wird vermutlich nicht mit einem Paukenschlag, sondern mit einem harmonisierten „Amen“ aus den Haredi-Reihen eingeläutet.
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Netanjahu, das politische Stehaufmännchen des Landes, versucht währenddessen, Edelstein – jenen Likud-Abgeordneten, der sich für ein echtes Wehrpflichtgesetz starkmacht – auf Parteilinie zu trimmen. Selbst eine Entlassung würde keine Lösung schaffen, sondern bloß Zeit kaufen. Denn die Rabbiner haben gesprochen – und wenn sie sprechen, schweigt das Parlament. Zumindest das der UTJ.
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Die Pointe: Deri und Konsorten wollen eigentlich keine Wahlen – doch sie könnten bald keine Wahl mehr haben. Eine Koalition, die auf dem Versprechen religiöser Privilegien ruht, bricht spätestens dann zusammen, wenn selbst der Glaube an das politische Machbare verlorengeht. Und so könnte Israel bald wieder an die Urne treten – nicht, weil es Alternativen gäbe, sondern weil sich das System der religiösen Erpressung selbst überlebt hat.
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In einem Land, in dem Minister heilig, Militärdienst aber profan ist, bleibt nur noch Zynismus als Leitlinie. Man könnte es auch so formuliren „Ein Staat, der sich von Theologen regieren lässt, endet nicht im Heil – sondern im Stimmengewirr der nächsten Wahlurne.“
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