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Wer im braunen Hemd Kreide frisst, bleibt doch ein Wolf

  • kpeterl
  • 21. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

TL;DR: Die AfD ist keine Partei mit einem Antisemitismusproblem. Sie ist ein Antisemitismus mit Parteiprogramm. Wer glaubt, sie könne jüdisches Leben schützen, sollte auch in Betracht ziehen, dass der Bunker in Braunau ein Architekturdenkmal für den Frieden sei. Dietl hat mit Antisemitismus und die AfD den wohl wichtigsten Beitrag zur Demaskierung dieser gefährlichen Scharade geliefert – ein Buch, das jedem Verfassungsschützer zur Pflichtlektüre gemacht werden sollte. Am besten mit Durchschlag.


Der Einband des Buchs „Antisemitismus und die AfD“ von Stefan Dietl
Der Einband des Buchs „Antisemitismus und die AfD“ von Stefan Dietl

Ein Pamphlet über den Antisemitismus der AfD – nach Lektüre von Stefan Dietls „Antisemitismus und die AfD“


Was Stefan Dietl auf über 200 Seiten akribisch herauspräpariert, ist nicht weniger als das politische Genom einer Partei, deren Beziehung zur Aufklärung etwa so authentisch ist wie die Russischkenntnisse eines Kölner Karnevalsprinzen. Antisemitismus und die AfD ist eine Anatomie des Ressentiments, seziert mit chirurgischer Präzision – und das tut Not. Denn wer die AfD beim Wort nimmt, glaubt vermutlich auch, dass der Fuchs den Hühnerstall bewacht, weil er angeblich nur auf Eierdiät sei.

 

Der Verfassungsschutz, dem man seine Entscheidung, die AfD als rechtsextrem einzustufen, in einem „vertraulichen“ Bericht von 1000 Seiten mühsam abringen musste – ein Papier, das so lange unter Verschluss bleiben sollte, bis die AfD selbst es an Cicero und den Nazi-Fanblog „Nius“ durchgestochen hat –, attestiert der Partei überraschend beschwichtigend, es gebe keinen dominanten Antisemitismus. Man möchte fragen: Wie viele tote Juden braucht es noch, damit ein solcher vorliegt? Oder muss ein Parteiprogramm explizit die „Endlösung“ fordern, bevor man sich ein bisschen Sorgen machen darf?

 

Dietl hält mit unbestechlicher Klarheit dagegen: Antisemitismus sei keine zufällige Begleiterscheinung, kein unglücklicher Betriebsunfall, sondern das ideologische Fundament dieser Partei. „Ohne ihn“, so Dietl, „versteht man die AfD nicht.“ Er hat recht. Die AfD ohne Judenhass ist wie Höcke ohne Holocaust-Relativierung – ein logischer Widerspruch, fast schon eine Metapher für das ewige Deutschland.

 

Die Partei, die sich selbst als „Garant jüdischen Lebens“ geriert – eine semantische Unverschämtheit, ungefähr auf dem Niveau eines Wurstfabrikanten, der sich als Patron des Vegetarismus geriert –, benutzt die Solidarität mit Israel und dem Judentum einzig und allein als Rammbock gegen muslimische Minderheiten. Juden als Staffage, als antisemitische Feigenblätter für rassistische Kampagnen. Wer das für kluges politisches Kalkül hält, sollte sich erinnern: Auch die NSDAP betonte einst ihre „Abwehr des Bolschewismus“ – und meinte damit den Juden.

 

Dietl zeigt, dass Antisemitismus in der AfD nicht nur geduldet, sondern strategisch instrumentalisiert wird: Gaulands „Staubkorn“-Rhetorik, Höckes „Denkmal der Schande“, Gedeons Lob der „Protokolle der Weisen von Zion“ – das ist keine Sammlung von Ausrutschern, sondern eine Litanei ideologischer Offenbarungen. Man stelle sich vor, ähnliche Zitate kämen aus der FDP – Lindner wäre binnen Minuten Geschichte. Bei der AfD? Parteitagspromotionsmaterial.

 

Dass eine Partei, deren Mitglieder sich mit verblüffender Regelmäßigkeit als Vertreter einer „fremdgesteuerten“ Gesellschaft sehen, mit George Soros im rhetorischen Fadenkreuz, sich heute als Bollwerk gegen Antisemitismus inszeniert, ist ungefähr so glaubwürdig wie Wladimir Putin als Ehrenbotschafter des Völkerrechts. Der Begriff „Soros-Kundin“ für Merkel oder „globale Klasse“ für Judenfeinde mit Weltverschwörungsfetisch – das ist die aktualisierte Sprache der Nürnberger Prozesse im Digitalformat.

 

Und Israel? Das wird in AfD-Kreisen nicht als realer Staat mit pluralistischer Gesellschaft, arabischer Minderheit und innerjüdischer Heterogenität betrachtet, sondern als mythologisches Bollwerk gegen den Islam – das imaginiert-israelische Abendland als rechtsextreme Wunschprojektion. Wenn Alice Weidel von Israels Schutz spricht, meint sie nicht Tel Aviv, sondern die Verteidigung des nationalen Bluts gegen die „Umvolkung“.

 

Dietls Verdienst ist es, diesen Widerspruch nicht nur aufzuzeigen, sondern zu zerlegen: Israelsolidarität als verkleideter Antisemitismus – ein Etikettenschwindel, dem erstaunlich viele liberale Intellektuelle noch auf den Leim gehen. JAfD, jene winzige Tarnorganisation, die mit kaum zwei Dutzend Mitgliedern mehr antisemitische Publikationen hervorbringt als eine ostdeutsche Facebook-Gruppe nach dem dritten Bier, spielt hier die Rolle des jüdischen Alibis: Die Inszenierung, nicht das Argument, zählt.

 

Die Angriffe auf Charlotte Knobloch, Michel Friedman oder Josef Schuster – allesamt Juden, die sich gegen diese Instrumentalisierung wehren – zeigen, wie schnell der vermeintliche Schutz in offene Hetze umschlägt. Man darf hinzufügen: Niemand hasst Juden so sehr wie der Antisemit, der sich von einem Juden beim Antisemitismus erwischen lässt.

 

Fazit? Die AfD ist keine Partei mit einem Antisemitismusproblem. Sie ist ein Antisemitismus mit Parteiprogramm. Wer glaubt, sie könne jüdisches Leben schützen, sollte auch in Betracht ziehen, dass der Bunker in Braunau ein Architekturdenkmal für den Frieden sei. Dietl hat mit Antisemitismus und die AfD den wohl wichtigsten Beitrag zur Demaskierung dieser gefährlichen Scharade geliefert – ein Buch, das jedem Verfassungsschützer zur Pflichtlektüre gemacht werden sollte. Am besten mit Durchschlag.

 

Dietl, S. (2024). Antisemitismus und die AfD. Verbrecher Verlag.ISBN: 9783957325546

 
 
 

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